Warum deine Fotos nicht besser werden
In den vergangenen rund vierzig Jahren, in denen ich schon fotografiere, habe ich schon mehr Fotos vermasselt als ich zählen kann. Aus diesen Fehlern habe ich gelernt und gebe mein erlangtes Foto-Wissen nun erfolgreich in Fotokursen weiter. Was hindert viele Leute daran, bessere Fotos zu machen?
In zahlreichen Fotokursen und vielen Gesprächen mit Fotointeressierten wurde mir mit der Zeit bewusst, dass schlechte Fotos meist nicht auf eine schlechte Kameraausrüstung oder das fehlende Interesse an der Fotografie zurückzuführen sind. Die Gründe liegen oft tiefer und sind im Grunde genommen recht simpel. Trotzdem finde ich, müssen sie mal erwähnt werden, damit wir uns deren bewusst werden können.
Du nimmst die Kamera nicht mit
Wenn du deine Kamera nur wenig brauchst, wirst du auch kaum Sicherheit in deren Handhabung erlangen. Es fehlt dir einfach die Übung und somit auch die notwendige Fertigkeit, um beispielsweise in anspruchsvollen Bedingungen zu fotografieren oder ein flüchtiges Motiv einzufangen. Erst mit der Routine kommt diese Leichtigkeit im Umgang mit der Kamera und den fotografischen Basics, die dir erlaubt, dich voll und ganz auf das Motiv zu konzentrieren. Natürlich ist es nicht immer angebracht, eine schwere Ausrüstung mitzunehmen. Aber wenigstens eine kleinere Kamera oder eine gute Handykamera sollte immer dabei sein. Die Foto-Qualität und die Einstellmöglichkeiten werden dann zwar geringer sein, aber wenigstens übst du dich trotzdem in Bildkomposition und denkst über das Licht, die Farben und andere Aspekte der Fotografie nach.

Die beste Kamera ist diejenige, die man dabeihat. Hohgantgebiet. 24 mm, f 11, 1/1600 Sek., ISO 200.
Du lebst zu schnell und oberflächlich
Viele von uns führen ein dermassen gehetztes Leben, dass wir nur selten die vielen Gelegenheiten für wunderschöne Bilder wahrnehmen, die sich uns täglich bieten. Du kannst deine Kamera dein Leben lang mittragen. Wenn du nicht lernst, auch bewusst langsamer zu gehen und die Welt mit anderen Augen anzusehen, wirst du sie nur wenig brauchen. Also: Slow down! Achte bewusst auf deine Umgebung und lebe im Hier und Jetzt. Dazu musst du deinen Autopiloten ausschalten, der dich oft im Leben steuert, vor allem wenn du über Vergangenes nachdenkst oder über die Zukunft grübelst. Mit mehr Achtsamkeit im Leben machst du nicht nur bessere Fotos, sondern lebst du auch mehr im Moment, wie das auch viele Glücksforscher empfehlen. Schliesslich geht es auch darum, sich bewusst Zeit für die Fotografie zu nehmen. Das mag mit einem Foto-Spaziergang beginnen, könnte aber auch mal ein Wochenende mit Kamera sein oder der Besuch eines Fotokurses, um neue Motivation zu tanken. Erst wenn die Fotografie in unserem täglichen Leben integriert ist, wird sie uns natürlicher erscheinen und werden wir viele Dinge anders betrachten als vorher.

Slow down und mehr Achtsamkeit, wie hier auf einem Spaziergang am Doubs. 30 mm, f 11, 1/200 Sek., ISO 800.
Du verpasst den Moment
Ich habe in meinem Leben wohl mehr Motive verpasst, als ich fotografiert habe. Das hat damit zu tun, dass die Kamera noch nicht bereit war, also mit Deckel auf dem Objektiv noch in der Fototasche steckte oder vom letzten Mal falsch eingestellt war. Oder es war das falsche Objektiv drauf oder ich war schlicht zu wenig aufmerksam, um sich abzeichnende Möglichkeiten vorauszusehen. Bei wenig routinierten Fotografen mag die fehlende Übung mit dem Equipment dazukommen, wie oben erwähnt. Doch das Geheimnis darin, den richtigen Moment zu erwischen, liegt in der Antizipation. Eine gute Fotografin geht aufmerksam durch die Welt, verfolgt die Lichtverhältnisse und beobachtet interessante Motive. Aufgrund dieser Informationen visualisiert sie sich bereits mögliche Bildergebnisse und bereitet die Ausrüstung darauf vor. Sie hat die Kamera bereits im Anschlag und ist bereit, im entscheidenden Moment die gewünschten Bilder zu machen, während der weniger aufmerksame Fotograf erst die Kamera hervorholt und das Motiv vielleicht verpasst.

Um flüchtige Momente einzufangen, muss man antizipieren können. Mont Crosin. 200 mm, f 8, 1/160 Sek., ISO 500.
Du bist gehemmt
Auch wenn du die Kamera dabeihast, du dank Achtsamkeit die Motive frühzeitig siehst und du die Kamera darauf vorbereitet hast. Manchmal hindert uns etwas daran, die Kamera anzuheben und abzudrücken. Plötzlich tauchen Zweifel auf, gerade wenn andere Leute da sind oder wir unsere Kamera auf Menschen oder neben sie richten. Was denken andere davon wenn ich jetzt fotografiere? Werden die Leute verwundert herüberschauen? Werden die Leute denken, dass ich sie fotografiere? Werde ich angesprochen werden? Muss ich die Leute erst fragen? Solche Fragen werden sich vermutlich vor allem Anfängern stellen. Je mehr man fotografiert, desto mehr wächst auch das Selbstvertrauen als Fotograf und die Erfahrung, solche Situationen einzuschätzen. Manchmal ist es in der Tat besser, fremde Menschen für ein Foto offen anzusprechen anstatt sie aus dem Hinterhalt abzulichten. Das braucht zwar Überwindung, ist aber im Rückblick keine grosse Sache. Meine Offenheit in solchen Fällen wurde oft nicht nur mit guten Bildern belohnt, sondern auch mit einer netten Bekanntschaft, einer guten Geschichte hinter dem Bild und einem besseren Gefühl für mich als Fotograf.

Hemmungen überwinden lohnt sich. Indigener in Kalimantan, Indonesien.
Du knipst, statt zu fotografieren
Beim Knipsen nimmt man sich keine Zeit für die Aufnahme. Man sieht ein Motiv, hält kurz die Kamera hin und drückt ab. Beim Fotografieren dagegen beschäftigst du dich eingehend mit deinem Motiv: Du wählst bewusst einen interessanten Bildausschnitt und eine für deine Bildidee geeignete Brennweite, du versuchst einen ungewöhnlichen Blickwinkel einzunehmen, du achtest darauf, dass sich dein Motiv klar vom Hintergrund abhebt und wählst die entsprechend passende Blende, Zeit und ISO-Einstellung. Klar, damit Fotografieren gelingt, brauchst du Zeit, um dich mit deinem Motiv zu beschäftigen, es von allen Seiten in Ruhe entdecken zu können und dabei die sich verändernden Lichtverhältnisse und den Hintergrund wahrzunehmen. Häufig ist dann das letzte Foto einer solchen Serie auch das beste. Ganz einfach, weil darin all die Beurteilungen aller vorangegangen Versuche stecken und man idealerweise erst aufhört, wenn man mit dem Ergebnis zufrieden ist. Wie viel Zeit der ganze Prozess benötigt, hängt wiederum stark von der Routine der Fotografin ab. Je erfahrener jemand ist, desto leichter und schneller kommt man zu guten Ergebnissen. Auch ein guter Fotokurs hilft, schneller vom Knipsen weg und hin zu guter Fotografie zu kommen, denn zum Glück muss man nicht alle Fehler selbst durchmachen.

Fotografieren statt Knipsen. Zeit, um das Motiv in Szene zu setzen. Mont Crosin. 24 mm, f 15, 1/200 Sek., ISO 500.
Du verwaltest deine Bilder nicht
Wer es heute in der Fotografie zu etwas bringen will, kommt um nicht um die Verwaltung und Sichtung seiner Bilder herum. Dies fängt damit an, seine Bilder auf dem Computer strukturiert abzuspeichern und mehrfach zu sichern. Der in meinen Augen wichtigste Schritt ist dann das Analysieren und Aussortieren der Bilder. Wenn du dich eingehend mit den Bildergebnissen beschäftigst, wirst du zu Erkenntnissen kommen, die dir wiederum in der Fotografie nützlich sein werden: Vergleiche deine Bilder miteinander und überlege dir beispielsweise, welches der drei vorliegenden Bilder warum am besten wirkt und dich als Betrachter mehr anspricht. Lösche dann alle Bilder, die dir weniger gefallen und schreibe dir deine Fehler beziehungsweise deine Vorsätze für deine zukünftige Fotografie auf. Nur mit einer kritischen Bildanalyse wirst du dich weiter entwickeln können. Ist der ganze Ramsch einmal gelöscht, kannst du dich auf deine guten Bilder konzentrieren: Du bewertest sie mit Sternen und versiehst sie mit Schlagworten, damit du sie später wieder findest. Die besten Bilder kannst du in der Bildbearbeitung weiter optimieren und in deinem Umfeld zeigen. Das macht Freude und schafft Zuversicht, dass du wirklich gute Bilder kreieren kannst. Und genau diese Motivation brauchst du, damit du weiterhin Freude an der Fotografie haben kannst und du dementsprechend deine Kamera in Zukunft wieder öfters dabeihast.

Die sorgfältige Bildauswahl- und analyse wirkt sich auf zukünftige Fotos aus. Greina. 300 mm, f 9, 1/800 Sek., ISO 100.
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