Überlegungen zur Kamerawahl
„Macht der Apparat gute Bilder?“ höre ich oft. Nein! Nicht der Fotoapparat macht gute Bilder, sondern wenn schon der Fotograf, der die Kamera bedient. Technik kann dazu eine Hilfe sein. Aber ohne fundiertes Wissen über Bildgestaltung, optische Zusammenhänge und kreative Ideen wird man auch mit der teuersten (der besten?) Kamera keine guten Fotos machen. Nach wie vor entsteht ein Bild zuerst im Kopf des Fotografen, nicht im elektronischen Gedärm unserer Bildermaschinen. Trotzdem gibt es ein paar wesentliche Aspekte, auf die man bei einer Kamera und ihren Objektiven achten sollte.
Sensorgrösse
Kompakt- und Bridgekameras sind den Spiegelreflexkameras (SLR) qualitativ deutlich unterlegen. Dies liegt am wesentlich kleineren Sensor. Damit stossen die kleinen Kameras an physikalische Grenzen. Auflösungen von mehr als 6 Megapixeln wären bei Kompaktkameras nicht sinnvoll, da die Bildqualität wieder abnimmt (vgl. 6mpixel.org):
- Kleinere Sensoren haben einen kleineren Dynamikumfang, sprich sie können nicht mehr zwischen sehr hellen und sehr sehr hellen Farben unterscheiden. „Ausgefressene“ Lichter (also ohne Details) sind die Folge.
- Bei kleinen Sensoren tritt bei wenig Licht (d.h. hohen ISO-Zahlen) schnell ein störendes Bildrauschen auf, da für das einzelne Pixel viel weniger Fläche zur Verfügung steht, um die wenigen Photonen einzufangen.
- Je kleiner der Sensor, desto weniger wird ein Bild verwackelt (ein positiver Aspekt), aber desto grösser ist auch die Schärfentiefe im Bild, was kreatives Arbeiten verunmöglicht. So sind z.B. Porträts mit unscharfem Hintergrund fast nur mit grösseren Sensoren machbar.
- Es gibt aber auch kompakte Kameras mit grösseren Sensoren oder gar solche mit Wechselobjektiven. Die Kameramodelle des Micro-Four-Thirds-Standards (Olympus, Panasonic, m43reviews.com) haben keinen Spiegelkasten und verfügen trotzdem über einen anständigen Sensor (Viertelformat).
Objektive
Objektive tragen wesentlich zum qualitativ guten Bild bei. Auf sie sollte man ein besonderes Augenmerk richten. Wobei natürlich erst Wechselobjektive die vielseitigen Möglichkeiten der kreativen Fotografie erschliessen. Aber auch ein gutes Ein-für-Alles-Zoom-Objektiv ist nützlich. Ich achte dabei vor allem auf:
- Brennweite: Eher mehr Weitwinkel als Tele. Bei Kameras mit verschieden grossen Sensoren muss die KB-äquivalente Brennweite verglichen werden.
- Zoom: Sind heute fast so gut wie Festbrennweiten. Wenn ein Objektiv allerdings einen sehr grossen Brennweitenbereich abdeckt, ist die Abbildungsqualität meist nicht bei jeder Brennweite optimal (vgl. Tests in Zeitschriften und Internet).
- Lichtstärke: Je grösser die Anfangsblende (d.h. je kleiner die Blendenzahl: z.B. 2.0, 2.8 …), desto lichtstärker ist ein Objektiv. Das heisst, das Objektiv lässt mehr Licht durch und erlaubt deshalb kürzere Verschlusszeiten, was v.a. bei wenig Licht vorteilhaft ist. Ausserdem können Sie mit grossen Blenden (also auch wenig Schärfentiefe) Ihr Motiv besser vor einem unscharfen Hintergrund freistellen.
- Bildstabilisator (Vibration Reduction, Image Stabilizer): Verringert die Verwacklungsgefahr (v.a. bei wenig Licht) um ein paar Blenden und hilft bei „Mitzieh“-Effekten.
- Scharfeinstellgrenze: Diese soll möglichst nah sein, wenn jemand gerne Details aufnimmt.
Kauftipps
Schliesslich muss jeder Fotograf für sich selber herausfinden, welche Ausrüstung optimal ist: Welche Qualitätsansprüche setze ich? Beschränke ich mich auf allgemeine Motive oder habe ich spezielle Interessen, die besondere Brennweiten bzw. Objektive erfordern? (z.B. Tiere, Architektur, Porträts, Makro). Was will ich tragen bzw. dabeihaben? Eine Foto-Ausrüstung soll nur so umfangreich wie nötig, und so handlich wie möglich sein. Hier noch ein paar Tipps zum Kauf:
- Ob Nikon, Canon oder Sony ist egal. Viele Firmen bauen Top-Kameras. Neben Zeitschriften bietet das Internet viele Kameratests und Erfahrungsberichte (siehe hier). Ich selber bin glücklich mit Nikon und kann diese Kameras jedenfalls im Spiegelreflex-Bereich sehr empfehlen.
- Ein (scharfes Bild) wird vor allem vom Objektiv gemacht! Auf genügend grosse Objektivauswahl des Herstellers achten und möglichst nur Original-Objektive kaufen. Lieber vom Guten etwas weniger, als vom Zweitklassigen mehr.
- Ein externes Blitzgerät und ein Stativ erweitern die Möglichkeiten enorm!
- Preise variieren stark. Internetkäufe oder Kauf im Ausland sind nur sinnvoll, wenn man auf Beratung verzichten kann (vgl. toppreise.ch).
- Auch Garantie-Dauer und Service eines Herstellers sind im Preis zu berücksichtigen. Bei Nikon Schweiz beispielsweise gibt es bei Registrierung eine markante Garantieverlängerung.
- Das Vorgänger-Modell ist bei ebay.ch oder ricardo.ch wesentlich günstiger zu haben. Man muss nicht jeden technologischen Schritt mitmachen. Die heutigen Kameras sind ausgereift! Der Kauf von Occasions-Kameras ist Vertrauenssache. Testaufnahmen und eine schriftliche Versicherung der Funktionstüchtigkeit sind zu empfehlen.
Hat man sich schliesslich eine Kamera gekauft, soll das Optimum aus ihr rausgeholt werden. Also: Automatiken und Programm-Modi ausschalten, mit verschiedenen Einstellungen experimentieren und sich das nötige Wissen aneignen (z.B. in unseren Fotokursen). Und hat man mal nicht die geeignete Brennweite oder kein Stativ dabei, ist das kein Grund für Ärger, sondern eine Herausforderung an Fantasie und Kreativität, mit minimalem Einsatz maximale Resultate zu erzielen. Wir müssen an unsere Bilder, nicht an unsere Ausrüstung glauben!