Smartphone oder Kamera?
Lohnt sich der Kauf einer «richtigen» Kamera noch?
Die Bilder von Smartphones werden aufgrund raffinierter technologischer Innovationen immer besser. Lohnt es sich überhaupt noch, eine eigentliche Fotokamera anzuschaffen?
Unsere Smartphones sind kompakt und somit immer dabei. Das sind unbestritten ihre grössten Vorteile gegenüber richtigen Kameras. Dieser Zwang zu Kompaktheit einer Handykamera ist aber zugleich auch deren grösster Nachteil. Die kleine Optik, die minimalen Abstände und der kleine Sensor limitieren nämlich die mögliche Bildqualität beträchtlich.
Sensorgrössen im Vergleich
Die Grafik unten vergleicht die Grössen gängiger Kamerasensoren, wie ich das auch schon früher in einem Blogartikel dargestellt habe. Selbst die besten Handykameras haben heute nur einen Sensor der Grösse 1/1.7″, der damit flächenmässig zehnmal kleiner als ein APS-C-Sensor einer günstigen Einsteigerkamera ist – beziehungsweise zwanzigmal kleiner als ein Vollformat-Sensor einer Profikamera. Weniger Fläche pro Pixel heisst aber auch, dass in der gleichen Zeit weniger Photonen eingefangen werden können. Die Pixel typischer Smartphone-Sensoren erhalten also weniger als ein Zwanzigstel der Photonen im Vergleich zu jenen eines Vollformat-Sensors. Das schwache Signal muss nachträglich verstärkt werden, was sich durch sogenanntes Bildrauschen negativ bemerkbar macht. Kleine Sensoren fotografieren ausserdem physikalisch bedingt immer mit mehr Schärfentiefe als grössere Sensoren. Das Arbeiten mit selektiver Schärfe, wie es beispielsweise in der Porträt- oder Tierfotografie oft angewendet wird, ist mit Handykameras kaum möglich, jedenfalls nicht auf optische Weise.
Innovationen in Handykameras
Dank des explosionsartigen Anstiegs der Smartphone-Verkäufe in den letzten Jahren wurde extrem viel Geld in die Innovation der Handykameras gesteckt. Die optisch-physikalischen Nachteile der kleinen Sensoren können heute mit immer schnelleren Prozessoren und aufwändigeren Bearbeitungsprozessen ein Stück weit ausgeglichen werden. Während sich Vignettierung, Verzerrung oder chromatische Aberrationen noch relativ einfach aus Bildern entfernen lassen, ist das Bildrauschen die wohl grösste Herausforderung. Damit mehr Photonen auf das Pixel kommen, hat man die Belichtungszeiten verlängert. Der damit einhergehenden Verwacklungsgefahr wird wiederum mit optischen Stabilisierungssystemen begegnet. Bei bewegten Motiven, bei sehr starken Kontrasten und Nachtfotos werden hingegen mehrere Bilder kurz nacheinander aufgenommen und zu einem Bild zusammengefügt. So kann das Bildrauschen zwar massiv reduziert werden, aber es sind manchmal Artefakte wie beispielsweise störende Geisterbilder in den zusammengesetzten Bildern zu erkennen. Auch die digitale Freistellung einer Person vor unscharfem Hintergrund im Porträtmodus funktioniert manchmal nicht zufriedenstellend, da die Person nicht immer sauber abgegrenzt werden kann. Beim Zoom durch mehrere eingebaute Kameramodule rücken die Smartphones zwar ebenfalls heran, liefern dann aber oft schlechtere Bildqualität, weil die Zoom-Sensoren kleiner sind als der Hauptsensor. Trotzdem: Dank all dieser Neuerungen haben modernste Smartphones günstige Kompaktkameras in Sachen Bildqualität bereits überholt. Edelkompakte können heute nur noch in Sachen Bildauflösung, Rauschverhalten und im Telebereich punkten. Kameras ab Micro-Four-Thirds, APS C und grösser werden aber aus geschilderten Gründen immer haushoch überlegen bleiben. Zumal die bildverbessernden Techniken aus der Smartphone-Welt später auch bei normalen Kameras eingesetzt werden. Auch die eigentlichen Fotokameras werden nämlich immer besser.
Bequeme Smartphone-Welt
Natürlich ist die Bildqualität nicht das einzige Kriterium. Wer nur auf Schnappschüsse und Festhalten von Erinnerungen aus ist, ohne sich dabei später am Computer um das Bild kümmern zu müssen, für den ist die Smartphone-Fotografie ein Segen. Noch nie war das Fotografieren so einfach. Die Bilder liegen fertig bearbeitet sowie nach Datum und Ort organisiert auf dem Smartphone, können jederzeit per Internet verschickt werden und werden automatisch in der Cloud gesichert. Dank GPS-Daten, Objekterkennung und künstlicher Intelligenz werden die Bilder in Adobe Cloud, Apples iCloud oder Google Photos automatisch mit Schlagworten versehen und bewertet. So können diese Services automatische Best-of-Kollektionen und fertig gestaltete Rückblick-Diashows vorschlagen. Wir müssen also nur noch abdrücken und unsere Erinnerungen werden automatisch ausgewählt und verwaltet.
Auf eine Fotokamera ist Verlass
Trotz der oben geschilderten Bequemlichkeiten werden Fotografen noch lange mit Kameras fotografieren. Wer eine Kamera zu bedienen weiss, der kann nämlich darauf vertrauen, dass die Kamera eine Szene genau so festhalten kann, wie er sich das vorgestellt hat. Erfahrene Fotografen kennen die Limiten ihrer Ausrüstung und können wiederholt qualitativ hochwertige Ergebnisse erzielen. Smartphone-Algorithmen hingegen – egal wie clever – werden immer fehleranfällig sein oder zumindest die Absicht des Fotografen nicht immer verstehen und umsetzen können. Wenn der Fotograf also sicher sein will, dass er das Bild schiesst, das er braucht, bleibt eine richtige Kamera das Mittel der Wahl. Demgegenüber bleibt dem Handyfotografen nur das Fokussieren auf die Szene. Die Einstellungen werden automatisch getätigt. Das Foto kann gelingen oder nicht – er kann dies kaum beeinflussen.
Fotografen erzählen Geschichten
In der Fotografie geht es aber nicht nur um das blosse Festhalten der Realität. Fotografieren heisst auch Geschichten erzählen.
Um das zu tun, verlassen sich Fotografen auf die kreative Freiheit, die ihnen heutige Kameras bieten und die genau dafür
geschaffen wurden. Moderne Kameras, ob mit Spiegel oder ohne, bieten vielfältige Einstellmöglichkeiten und sind ergonomisch
so geschaffen, dass diese schnell und präzise nach den Vorstellungen der Person hinter der Kamera eingestellt werden können. Ausserdem machen ein breites Spektrum von Wechselobjektiven und weiterem Zubehör die Digitalkamera zum vielseitigen
Werkzeug. Smartphones hingegen, die dem Fotografen einen grossen Teil der Kontrolle vorenthalten, können manchmal die Geschichte ruinieren, die der Fotograf zu erzählen versucht. Die Entwicklung geht sogar dahin, dass Smartphones heute die Absicht des Fotografen bereits zu erraten versuchen. Beispielsweise werden bei Personen automatisch Falten korrigiert oder ein Foto wird erst dann ausgelöst, wenn alle erkannten Gesichter in die Kamera schauen. Um es etwas provokativ zusammenzufassen: Mit richtigen Kameras kann der Fotograf noch seine eigene Geschichte erzählen, während Smartphones unsere Erinnerungen zunehmend eigenständig gestalten.
Fazit
Die alten Fotografensprüche gelten beim Vergleich von Smartphone und Kamera weiterhin: Gute Fotografen können auch mit Smartphones tolle Fotos schiessen, unerfahrenen Fotografen hilft auch die teuerste Ausrüstung nicht. Je mehr Erfahrung und Fotowissen Sie haben, je mehr Kontrolle, Flexibilität und Qualität Sie benötigen, desto eher passt eine Systemkamera – aber umso mehr Zeit, Geld und Schleppwille fordert Ihr Hobby dann auch. Je mehr Sie sich auf Motiv und Situation konzentrieren möchten und den Automatiken vertrauen, desto eher kommt das Smartphone ins Spiel. Oder Sie entscheiden sich nicht, sondern nutzen einfach Systemkamera und Smartphone im Team. Nur die Kompaktkameras dazwischen bleiben wohl für immer weniger Einsatzgebiete interessant.
hoi dominique
sehr guter artikel und genau aus diesen gründen habe ich meistens meine Nikon D850 dabei.
das handy ist zwar schön gut und recht, da man es immer dabei hat, es macht bei sonnenschein auch tolle fotos, man auch hier bildgestaltung betreiben ;).
aber gerade bei zeitraffern, freistellen, nachtfotografie, oder eye catcher, da kommt nur meine dslr in den einsatz 🙂
gruss
manuel
Hoi Manuel
Schön von dir zu hören. Ich bin gleicher Meinung wie du. Ich bilde mir ein, dass ich aus deinen Worten lesen kann, dass du meine Fotokurse besucht hast 🙂. Es freut mich, dass du immer noch dran bist und intensiv fotografierst! Weiterhin viel Spass und tolle Eye-Catcher-Bilder mit deiner „richtigen“ Kamera!
E gueti Zyt, Dominique
hey dominique
das ist richtig, durch deine kurse (blitz, makro, bildgestaltung) konnte ich sehr viel lernen 🙂
und ja ich bin immer noch dran am fotografieren und würde am liebsten noch mehr mehr 🙂
gruess
manuel
Super Artikel mit der Gegenüberstellung
Ich habe immer das Handy für schnelle Schnappschüsse aber dann auch die Vollformat im Rucksack
Meine Partnerin hebt ob vor dem Abmarsch auf Wanderungen so schnell meinen Rucksack und meint dann ( Tust dich wieder Selbskasteien)
Ja das mache ich gerne, wenn ich dann Ende Jahr einen grossformatigen Kalender gestalte und dieser dann das zeigt, wie es war.
Danke für deinen Kommentar. Es geht wohl vielen so. Allerdings wird hoffentlich deine Partnerin am Schluss auch Freude am grossformatigen Kalender haben! Weiterhin viel Spass beim „richtigen“ Fotografieren.