Merkmale von Objektiven
Eine Systemkamera – ob mit oder ohne Spiegel – ist unschlagbar flexibel, da wir sie mit verschiedenen Objektiven und weiterem Zubehör nutzen können. Erst so können wir das volle kreative Potential in der Fotografie ausschöpfen. Doch welche Objektive gibt es überhaupt, und was sind deren wichtigsten Merkmale?
Das Objektiv macht das Bild, lernte ich schon in meinen fotografischen Anfängen. Heute haben zwar die Sensortechnik und die Elektronik einer Kamera im Vergleich zur Filmrolle von früher einen sehr wichtigen Anteil an der Bilderzeugung. Doch bei den hoch aufgelösten Sensoren von heute und der Möglichkeit, Bilder am Bildschirm bis zum Pixel zu vergrössern, sind qualitativ hochwertige Objektive weiterhin enorm wichtig für gute Bilder. Natürlich können Objektive heute dank des technologischen Fortschritts in der nötigen Qualität auch viel einfacher und günstiger produziert werden. Und trotzdem gibt es wesentliche Unterschiede zwischen Objektiven. Hier beleuchte ich deshalb ihre wichtigen Merkmale. In einem nächsten Beitrag überlegen überlegen wir uns dann, welche Objektive wir uns anschaffen oder für eine Reise einpacken.
Brennweite
Das wohl wichtigste Merkmal eines Objektivs ist seine Brennweite: Die auf die Linsen eines Objektivs treffenden Lichtstrahlen werden je nach Linsenwölbung in kürzerer oder längerer Entfernung hinter den Linsen in einem Brennpunkt gebündelt, der auch Fokuspunkt genannt wird. Diesen Abstand bezeichnet man als Brennweite des Objektivs. Eine Brennweite, die der Diagonalen des Sensors entspricht, wird als Normalbrennweite bezeichnet. Bei Sensoren im Vollformat von 24×36 mm beträgt die Diagonale gut 43 mm. Deshalb bezeichnet man Objektive von 40-55 mm Brennweite als Normalobjektive. Objektive mit Brennweiten kleiner als 40 mm werden Weitwinkelobjektive genannt, solche mit Brennweiten grösser als 55 mm Teleobjektive. Im Gegensatz zu Objektiven mit fixer Brennweite – sogenannten Festbrennweiten – lässt sich bei Zoomobjektiven die Brennweite verändern. Reisezooms decken meist einen grossen Bereich von Weitwinkel bis zum Tele ab. Daneben gibt es spezielle Weitwinkel- oder Telezooms, die den Brennweitenbereich erweitern. Je kürzer die Brennweite ist, desto grösser ist der Bildwinkel, der mit dem Objektiv abgebildet werden kann. Je länger die Brennweite ist, desto enger ist der Bildwinkel und desto mehr erscheinen die abgebildeten Objekte vergrössert wie bei einem Fernglas.
Cropfaktor
Allerdings spielt auch die Grösse des Sensors eine Rolle. Setze ich ein 50-mm-Vollformat-Objektiv an eine Kamera mit APS-C-Sensor, so erfasst dieser kleinere Sensor nur den mittleren Teil des Bilds. Das heisst das Bild wird «zugeschnitten». Dies umso mehr, je kleiner der Sensor ist. In unserem Falle beträgt der «Cropfaktor» rund 1,5. Unser Bild hat also auf dem APS-C-Sensor noch den gleichen Bildwinkel wie ein 75-mm-Objektiv an einem Vollformatsensor. Um also die vom Kleinbildformat (=Vollformat) her gewohnten Bildwinkel zu erreichen, müssen wir um den Cropfaktor verkürzte Brennweiten auswählen. Oft beginnen die Zoombereiche von APS-C-Normalzooms deshalb bei 18 mm, was einer sogenannten Kleinbild- oder KB-äquivalenten Brennweite von 27 mm entspricht.
Lichtstärke
Meist bieten Kamerahersteller verschiedene Objektive im gleichen Brennweitenbereich an. Sie unterscheiden sich rein äusserlich schon in Grösse und Gewicht. Für die Fotografie bedeutend ist aber vor allem die Lichtstärke eines Objektivs, also dessen maximale Blendenöffnung, die auch Anfangsblende oder Offenblende genannt wird. Je lichtstärker ein Objektiv nämlich ist, desto mehr des einfallenden Lichts wird bei Offenblende auf den Sensor gelangen. Mit einem Normalobjektiv mit Offenblende von 1:1,4 kommen Sie bei ISO 3200 und Kerzenlicht auf eine Verschlusszeit von rund 1/30 Sekunde. Das ist eine Zeit, mit der Sie noch Porträts aus der freien Hand schießen können. Wenn Sie stattdessen ein Zoomobjektiv mit einer Anfangsblende von 1:4 verwenden, lässt das Objektiv nur ein Achtel des Lichts durch, und Sie benötigen für dieselbe Belichtung eine Verschlusszeit von ¼ Sekunde. Damit können Sie zwar mit einem Bildstabilisator noch scharfe Bilder aufnehmen, aber nur wenn Ihr Gegenüber stillhält. Bei grosser Offenblende ist ausserdem die Schärfentiefe viel geringer. Dies bedingt zwar eine saubere Schärfeneinstellung beispielsweise auf die Augen. Gleichzeitig lassen sich so Motive besser gegen einen unscharfen Hintergrund freistellen, was die Bildwirkung meist enorm steigert. Allerdings sind Objektive mit hoher Lichtstärke generell grösser, schwerer und teurer als solche mit geringerer Lichtstärke.
Bildstabilisator
Wie im obigen Beispiel schon angetönt ermöglichen Bildstabilisatoren dem Fotografen selbst bei längeren Belichtungszeiten scharfe Bilder aus der freien Hand. Sie sind in meinen Augen heute unverzichtbar und erweitern die fotografischen Möglichkeiten enorm. Grundsätzlich wird dabei die Bewegung der Kamera beispielsweise im Falle einer Verwacklung gemessen. Diese Bewegung kann unmittelbar entweder durch bewegliche Linsenglieder im Objektiv oder durch einen beweglichen Kamerasensor ausgeglichen werden. So erhält man scharfe Bilder bei bis zu vier Blendenstufen längeren Belichtungszeiten. Ich empfehle jedoch trotzdem immer mehrere Bilder einer Situation zu machen, um die Wahrscheinlichkeit für ein wirklich scharfes Bild zu erhöhen. Bei bewegten Motiven ist ein Bildstabilisator nur eingeschränkt von Nutzen, weil nur die Bewegungen der Kamera ausgeglichen werden können, nicht aber die des fotografierten Objekts. Aber gerade bei Mitzieh-Aufnahmen kann ein Bildstabilisator trotzdem die Erfolgsquote markant erhöhen.
Abbildungsqualität
Die technische Entwicklung hat inzwischen Objektive hervorgebracht, die oft der Grenze des physikalisch Möglichen nahekommen. Viele der verbleibenden Abbildungsfehler lassen sich auch nachträglich in der Kamera oder im Computer korrigieren. Neben Fehlern in der Schärfe (sphärische Aberration) und in der Farbabbildung (chromatische Aberration) sind hier die Bildfeldwölbung und die Verzeichnung zu erwähnen, die vor allem im Weitwinkel- bis in den Normalbereich auftreten. Aber beim Fotografieren im Gegenlicht können sich auch störende Reflexionen zeigen, oder die Ecken dunkeln bei offenen Blenden ab (Vignettierung). Bestimmte Objektivfehler wie die chromatische Aberration, die Verzeichnung oder die Vignettierung werden heute schon automatisch oder je nach Systemeinstellung in der Kamera herausgerechnet. Wenn dies nicht schon in der Kamera geschieht, so spätestens in einer guten Bildverwaltungs-Software, die in der Regel für jedes Objektiv ein spezielles Profil bereithält oder Möglichkeiten zur manuellen Korrektur bietet. Die Abbildungsschärfe und die Reflexionen lassen sich allerdings nur bedingt nachträglich korrigieren. Deswegen lege ich bei der Wahl von Objektiven Wert auf eine hohe Schärfe gerade auch bei offenen Blenden und gegen die Ränder hin. Daneben sind mir geringe Reflexionen und wenig Streulicht wichtig, da ich gerne gegen das Licht fotografiere, was häufig stimmungsvolle Fotos ergibt.