Auf dem Torneälv von Abisko nach Junosuando
Nachdem wir während unseres Trekkings nach Abisko unerwartet kühles und feuchtes Wetter durchlebten, hat unsere Motivation, die Reise wie geplant mit dem Kanu fortzusetzen, etwas abgenommen. Die zwei gemieteten Kanus, mit denen wir den Torneälv runterfahren wollen, liegen zwar bereit. Aber weiterhin wird kühles und feuchtes Wetter vorausgesagt. Den Wetterbericht kann man hier im hohen Norden sowieso nicht so Ernst nehmen, meint Peter, der in Norwegen schon oft auf Touren war. Und da auf unserer Route alle paar Tage wieder eine Ausstiegsmöglichkeit besteht, entschliessen wir uns trotzdem, das Kanuabenteuer anzupacken.
Der Torneträsk ist mit seinen 330 Quadratkilometern etwas mehr als halb so gross wieder der Bodensee (536 km2). Bei starken Winden, die hier nicht selten sind, kann der Wellengang für Kanufahrer gefährlich werden. Von Abisko sind es rund 50 Kilometer Luftlinie bis zum Beginn des Flusses Torneälv, den wir hinunterpaddeln wollen. Wegen der Windprognose und weil wir das Paddeln im Fluss interessanter finden, lassen wir uns ein gutes Stück nach Osten beim Dorf Torneträsk ans Ufer bringen. Von da führt die Strasse vom See weg, was mehr Ruhe und Einsamkeit für unser Kanuabenteuer verspricht. Als wir uns bereit machen, scheint die Sonne. Alles ist in wasserdichte Säcke gepackt und in der Mitte der Boote festgezurrt. Da man beim Paddeln idealerweise kniet, ziehen wir uns Regenhose und Knieschoner über, bevor wir die Kanus wassern.
Am Nachmittag ziehen Wolken auf. Nach rund 12 km und 3 Stunden Paddeln erreichen wir den Ausfluss des Sees, den Torneälv. Es beginnt zu regnen und wir spannen unser Tarp auf. Unter solchen leichten Zeltplanen lässt sich schlechtes Wetter besser ertragen. Auf dem Trekking hatten wir aus Gewichtsgründen kein Tarp dabei und so freuen wir uns nun über diesen zusätzlichen Ausrüstungsgegenstand. Wir nehmen einen wohlverdienten Imbiss zu uns. Doch unser Appetit vergeht uns schlagartig, als Thomas feststellt, dass der Regen durch das Tarp auf unsere Köpfe tropft. Die Beschichtung des Tarps hat sich fast vollständig gelöst, offenbar altersbedingt. Die Stimmung ist im Keller. Wie sollen wir die nächsten 10 Tage in der Wildnis ohne Tarp ertragen? Wir raffen uns auf und suchen Holz im nassen Mooswald. Das Feuer lässt sich allerdings mit diesem feuchten Brennmaterial nur mit Mühe entfachen.
Gegen Abend verziehen sich die Regenwolken zum Glück wieder. Ich erkunde die Gegend und fotografiere die für uns nicht fahrbare Stromschnelle am Ausfluss des Sees.
Spätestens als Peter den ersten selbst geangelten Fisch präsentiert, hebt sich unsere Stimmung deutlich. Die Angelausrüstung haben wir mit den Kanus gemietet und ordnungsgemäss auch zwei Angel-Lizenzen gelöst.
Mit einem guten Essen (Rosmarin-Kartoffeln mit gegrilltem Schweinsfilet und Fisch in Kräuterbutter) lassen wir den Abend ausklingen. Die Welt ist wieder in Ordnung, und wir sind froh, haben wir die Tour gestartet.
Kaum ist die Sonne untergegangen, zieht Nebel durch die ufernahen Wälder. Wir drängen uns ans Feuer und etwas später in unsere Schlafsäcke. Die Nacht ist klar, und wir können sogar ein paar Nordlichter erspähen.
Am nächsten Morgen nach dem Frühstück blicken wir über den weiten Torneträsk und studieren nochmals den Kanuführer wegen der heute erwarteten Stromschnellen.
Die schneebedeckten Gipfel verschwinden langsam am Horizont während wir weiter den Torneälv hinunter paddeln.
Stromschnellen müssen wir mit viel Vorsicht angehen. Unsere Kanus sind nicht für Wildwasser konzipiert. Sie liegen vollbeladen recht tief im Wasser, sodass die nicht immer vermeidbaren Wellen über die Bootskante schwappen können. Die Folge ist klar: Das Kanu wird noch schwerer, liegt noch tiefer und Wellen schwappen noch einfacher über. Ausserdem ist das Boot dann sehr wackelig. Eine unangenehme Situation, vor allem bei solch kalten Wassertemperaturen. Einmal kommen wir mit einem blauen Auge davon.
Wir wollen in Zukunft vorsichtiger sein.
Einzelne Passagen lassen sich auch gut mit Treideln überwinden.
Andere Stromschnellen traut sich Peter, unser erfahrenster Paddler, im Alleingang zu. Das Kanu ist ohne Vordermann wendiger und die Wasserlinie ist insbesondere am Bug vorne tiefer.
Manchmal ist auch das Gepäck zuviel Gewicht im Kanu, und wir müssen es um die Stromschnelle tragen. Die Kanus fährt wiederum Peter sicher durch die Stromschnelle. So müssen wir die Kanus nicht auch noch tragen.
Sobald wieder eine schwierige Passage gemeistert ist, sind wir alle erleichtert und beladen die Kanus wieder für die nächste Etappe.
Wir treffen kaum Leute an auf dem Fluss. Ab und zu, in der Nähe von Siedlungen, fahren Motorboote vorbei, wohl auf dem Weg zu einem der Ferienhäuschen. Die meisten Abschnitte sind einsam und scheinbar unberührt, sodass uns abends die Wahl eines Lagerplatzes nicht schwer fällt.
Alle drei Tage können wir zwar unseren Proviant in einem Dorfladen aufstocken. Doch selber Gesammeltes und Gefischtes schmeckt am besten.
Die Fische garen wir jeweils in einer Alu-Folie auf dem mitgebrachten Grill.
Dazu kochen wir Risotto, Kartoffeln oder Teigwaren.
Ein wahrlich fürstlicher Schmaus, der hier in der Wildnis nach einem anstrengenden Tag besonders gut schmeckt.
Peter zeigt uns auch, wie man Brot am Feuer backen kann. Dazu nimmt er den grösseren von zwei Kopftöpfen als Backofen. Darin legt er 3 gleich grosse Steine, den Deckel des kleineren Topfes und am Schluss den aufgegangenen Brotteig. Brot aus einem Kilogramm Mehl muss mindestens eine Stunde am Feuer backen. Den geschlossenen Topf legt er dazu neben dem Feuer auf ein Glutbett und sorgt mit etwas Glut auf dem Topf ständig für Oberhitze. Auch das Glutbett muss ab und zu ausgewechselt werden. Deshalb muss neben dem Backen immer auch ein Feuer aufrecht erhalten werden.
Das Ergebnis überzeugt! Das warme dampfende Brot ist allerdings schnell gegessen.
Am Abend kann es recht kühl werden. Wir haben meist genug Holz vorbereitet und können die abendliche Runde am Lagerfeuer umso mehr geniessen.
Immer wieder breitet sich der Fluss zu einem See aus. Eine tolle Abwechslung zu den schneller fliessenden Passagen. Hier am frühen Morgen sehr schön eingefangen von Peter (Gastbild).
Und so fliessen die Tage dahin. Wir erleben viele Stimmungen, schöne Landschaften und eine tolle Kameradschaft, wie ich in der folgenden Bildserie zeigen möchte.
Entgegen aller Prognosen haben wir seit dem ersten Kanutag keinen Regentropfen mehr gespürt. Was für ein Wetterglück, über das wir uns jeden Tag von neuem freuen. Mit dem undichten Tarp im Hinterkopf umso mehr!
Den neunten und letzten Abend verbringen wird kurz vor Junosuando. Hier fliesst der Torneälv nur noch langsam und verbreitert sich oft zu langgezogenen Seen. Per SMS haben wir bereits unsere Koordinaten an die Kanu-Unternehmung gesandt, die uns morgen abholen wird.
Nach einem reichhaltigen Kartoffelstock mit gebratenem Fleisch lassen wir am Lagerfeuer nochmals die Stimmungen um uns herum wirken. Roland und Thomas kriechen bald in ihre warmen Schlafsäcke. Sie wollen morgen früh nochmals ein letztes Brot zum Frühstück backen. Peter und ich sinnieren weiter. Wir legen immer wieder ein Scheit auf das Feuer und beobachten, wie der Mond aufgeht und allmählich die Landschaft um uns herum in ein kühles Licht taucht. Das Krächzen von Kranichen in der Ferne schallt übers Wasser zu uns herüber. Ein unheimlicher Schauer fährt mir über den Rücken. Eine magische Stimmung! Eine Stimmung, wie man sie wohl nur erleben kann, wenn der Kopf frei ist und man seine volle Aufmerksamkeit der Natur widmet. Solche Momente tun mir dermassen gut, dass ich auch die meist unvermeidbaren Begleiterscheinungen wie beispielsweise nasses Wetter in Kauf nehme. Was für ein Kontrast zu unserem technisierten und komplexen Alltag, in den wir bald wieder zurück gehen.
7 Antworter auf Kanutour in Lappland