Mit dem VW-Bus durch den Süden von Skandinavien
„Schweden und Norwegen mit Wohnmobil“ stand schon eine Weile auf meiner Liste der Reiseziele. An idyllischen Naturplätzen übernachten, in schönen Seen baden und einfach den Sommer geniessen. Das muss toll sein, auch mit Familie. Als dann fest steht, dass ich während den Sommerferien drei Wochen mit der Familie wegfahren kann, setzen wir den Plan um und fliegen nach Stockholm. Hier übernehmen wir das „Summermobil“ oder kurz „Sumo“, den umgebauten VW-Bus von meinem Vater. Er und seine Frau sind mit dem Sumo aus der Schweiz bis ans Nordkap gereist und beenden in Stockholm ihren Road-Trip. Wir planen nun, das Fahrzeug mit Umweg über den Süden von Schweden und Norwegen wieder nach Hause zu fahren. „Fahrt vorsichtig“ meint mein Vater noch, als ich die beiden am Flughafen Arlanda verabschiede.
Wir nehmen Kurs Richtung Südwesten und suchen uns gleich einen idyllischen Platz, wo wir mit unserem Sumo übernachten können: Am liebsten an einem See, wo wir schwimmen können. In Schweden, wie auch Norwegen, ist es möglich, das Fahrzeug über Nacht auf öffentlichen Parkplätzen stehen zu lassen. Natürlich müssen allfällige Verbotsschilder beachtet werden und es wird erwartet, dass man sich umsichtig verhält. Einige Plätze haben wir mit Hilfe der App Park4night gefunden, andere einfach mittels Interpretation des Satellitenbildes auf Google Maps.
Das Naturreservat Stendörren befindet sich an der Küste und bietet eine schöne Schärenlandschaft. Wir lassen uns vom aufkommenden Regen nicht abhalten und unternehmen eine Wanderung.
Unser Camping-Bus ist komplett ausgerüstet mit Esstisch, Küche (Kochstelle, Lavabo, Kühlschrank) und einigen Schränken. Nachts können zudem vier Betten eingerichtet werden. Klar, zu viert bei Regen drinnen zu essen ist eng, aber es geht. Nach Stendörren verlassen wir die Küste und fahren Richtung Osten. Wir wollen nicht länger als eine Woche in Schweden verbringen, um dann auch noch Zeit in Norwegen zu haben, das landschaftlich schöner sein soll.
Wobei es uns hier in Schweden wahrhaftig gefällt. Der Regen ist schon wieder vergessen und wir erfreuen uns am warmen Sonnenschein, als wir uns für die nächste Nacht an einem weiteren tollen See einrichten. Mich faszinieren die Felsen am Ufer, welche vor langer Zeit von Gletschern abgeschliffen worden sind.
Die Kinder baden wieder als Erste. Wir alle gewöhnen uns langsam an die kühlen Wassertemperaturen (18 bis 20°C) und erfreuen uns am Bad, das beim wilden Campieren aus Hygiene-Gründen eigentlich dazu gehört.
Tiveden ist ein felsiges, verblocktes und teilweise von Urwald bewachsenes Gebiet, das 1983 zum Nationalpark erklärt wurde. Der bemooste und urige Wald zieht uns sofort in den Bann und regt die Fantasie der Kinder an. Wo sich wohl die Trolle verstecken?
Wir verbringen hier einen ganzen Nachmittag und erleben eine märchenhafte Waldlandschaft.
Schliesslich kommen wir zum Vänern-See, dem viertgrössten See Europas, wobei die ersten drei im russischen Europa liegen. Die warmen, glatt geschliffenen Felsen laden uns zum Sonnen- und Wasserbad ein. Ich schätze die Wassertemperatur auf 22°C, hier im flachen Teil, was für Schweden recht warm ist.
Die Abende sind jetzt, gegen Ende Juli noch sehr lang. Das Bild wurde um 23 Uhr aufgenommen.
Auch die Kinder gehen meist erst gegen 22 Uhr ins Bett, entsprechend haben wir es am nächsten Morgen nicht so eilig.
Nach dem Frühstück zeigt mir Annika ihr selbst gebasteltes Schiff.
Wunderschön, diese Schärenküste. Wir überlegen uns, nochmals eine Nacht zu bleiben. Aber dann sehen wir, wie viele lokale Touristen tagsüber hierher zum Baden kommen, sodass es uns doch zu voll wird und wir weiterfahren.
Bei Vargön besuchen wir den Tafelberg Halleberg, der von den Ufern des Vänern-Sees emporragt. Der Halleberg und sein südlicher Nachbar Hunneberg sind auch bekannt als die Berge der Elche, da diese Tiere hier stark verbreitet sind. Wir unternehmen drei Wanderungen und warten sogar spätabends während über einer Stunde an einer Salzleck-Stelle im Schutze unseres Autos, aber der König der Wälder lässt sich nicht blicken. Doch auch der Wald alleine ist ein Besuch Wert!
Die Kinder können sich richtig austoben. Unsere Fahrtzeiten sind durchschnittlich zwei bis drei Stunden pro Tag. Da braucht es Bewegung zum Ausgleich.
Vom Aussichtspunkt Ekebacken lässt sich die Grösse des Vänern-Sees bewundern. „Isch das s’Meer?“, fragt Selena.
Während der Ovandalen-Wanderung an der Nordspitze des Hallebergs nehmen wir auch heute unser tägliches Bad, das letzte Mal im Vänern-See.
An der Westküste von Schweden, bei Tanumshede, machen wir noch den letzten Sightseeing-Halt in Schweden, bei den berühmten Felsritzungen von Tanum. Es wurden hier über 10’000 Felsritzungen entdeckt. Sie stammen aus der Bronzezeit und sind rund 3000 Jahre alt. Wegen der Vielzahl an Motiven geben sie Aufschluss über das Leben zu dieser Zeit. Sechs ausgewählte Fundstellen wurden 1994 als UNESCO-Weltkulturerbe aufgenommen und sind die grössten und figurenreichsten Felsritzungen in Schweden.
Wir fahren an Oslo vorbei und verbringen unsere erste Nacht in Norwegen bei Fla am Fluss Hallingdalselva. Da wir noch kein Internet haben um unsere Apps zu konsultieren, müssen wir uns diesmal auf unser Gespür verlassen. Wunderbar! Es geht ohne Elektronik!
Die Kinder sind schon im Bett und Tanja liest aus dem Buch Ronja – Räubertochter vor. Normalerweise höre ich mit bzw. lese ich auch vor. Aber diesmal möchte ich die Abendstimmung am Fluss einfangen (Bild mit Graufilter und Stativ: 6 Sek, f 10, ISO 400).
Frühstück am nächsten Morgen.
Uns gefällt es sehr gut hier. So fahren wir erst gegen Mittag weiter.
Wir fahren durchs Hemsedal und bewundern die im Vergleich zu Schweden doch wesentlich gebirgigere Landschaft.
Beim Wasserfall Rjukandefoss machen wir eine Pause. Selena lässt beim Anblick von Wasser nicht locker und will unbedingt baden. Weiter stromabwärts finden wir eine tolle Badestelle.
Die Stabkirche in Borgund ist weit herum bekannt. Das Holz der Kirche wurde 1180 geschlagen und die Kirche vermutlich unmittelbar danach erbaut. Die Kirche ist eine von 28, die von ursprünglich rund 1000 Kirchen in Norwegen erhalten geblieben ist. Die Stabkirche Borgund hat ohne grössere Änderungen überlebt. Andere Kirchen sind längst umgebaut worden, hier aufgrund von Geldmangel zum Glück nicht. Seit 1877 wird die Kirche vom Verein zur Denkmalpflege bewahrt und verwaltet.
Die Pflege der Kirche ist recht aufwändig, das Holz muss je nach Exposition alle zwei Jahre mit russ-schwarzem Baumharz geschützt werden. Das Harz wird auf traditionelle Weise gewonnen, indem Stücke eines Baumstammes über dem Feuer erhitzt werden.
Von Lærdalsøyri nehmen wir nicht den längsten Strassen-Tunnel der Welt (Lærdalstunnel, 24.5 km), sondern fahren über die Passstrasse. Beim Aussichtspunkt Stegastein bietet sich uns erstmals ein gewaltiger Überblick über den Aurlandsfjord und den Ort Aurlandsvangen.
Auf der Fahrt nach Flåm am Ende des Aurlandfjords gibt es noch zahlreiche Kehren und Ausblicke. Beim Anblick des Kreuzfahrtschiffes freuen wir uns bereits auf unsere für morgen gebuchte Fjord-Fahrt. Die Wetterprognosen sind top!
In Gudvangen starten wir anfänglich noch im dicken Nebel, doch bald reisst die Nebeldecke auf. Das einzigartige Panorama des engen und deswegen spektakulären Nærøyfjord tut sich uns auf. Der Fjord wurde 2005 als UNESCO-Weltnaturerbe aufgenommen.
Das UNESCO-Komitee schrieb damals in der Begründung für die Aufnahme u.a.: Nærøy- und Geirangerfjord gelten als die mit Abstand schönsten Fjordlandschaften der Welt. Deren erhabene Natur kommt durch die schmalen, steil abfallenden Talwände zum Ausdruck, die sich von 500 m unter dem Meeresspiegel bis zu 1.400 m über dem Meeresspiegel erstrecken. Zahlreiche Wasserfälle stürzen sich die extrem steilen Felswände herab, und zahllose Wildbäche fließen von schneebedeckten Gipfeln, Gletschern und Gletscherseen durch Laub- und Nadelwälder hinunter in den Fjord. Die Vielfalt weiterer Naturphänomene zu Wasser und Land, wie unterseeische Moränen und Meeressäugetiere, verstärken das Naturerlebnis. Überreste alter, jetzt verlassener Bauernhöfe und Almhütten geben der dramatischen Naturlandschaft eine kulturelle Dimension die den Wert dieses Gebietes unterstützen und verstärken.
Um genug Zeit zu haben, die Erhabenheit dieser Fjordlandschaft zu bestaunen und zu fotografieren, haben wir eine Fähren-Fahrt von Gudvangen (Nærøyfjord) nach Flåm (Aurlandsfjord) und wieder retour gebucht.
Natürlich kann man die Fjorde auch mit Stand-Up-Paddling oder Kajaks erkunden, sicher auch ein tolles Erlebnis.
Das Dorf Dyrdal erwacht mit den ersten Sonnenstrahlen.
Auch der Aurlandsfjord imponiert uns.
Schliesslich fahren wir in Flåm ein. Endstation für alle Fahrgäste – ausser uns. Wir dürfen an Bord bleiben und freuen uns auf die Rückfahrt. Das Schiff hält hier eine gute halbe Stunde. In dieser Zeit werden mittels einer speziellen Ladestation und zweier dicker Kabel die Elektrobatterien unserer Fähre wieder aufgeladen!
Der Katamaran Future of the Fjords wird nämlich alleine durch Elektromotoren angetrieben, die den Strom von einer 1’800 kWh-Batterie beziehen. Die wahrhaftig innovative Elektro-Fähre wurde an der Hamburger Schiffsbaumesse im Jahre 2018 denn auch als „Schiff des Jahres 2018“ ausgezeichnet. Die Future of the Fjords ist 42 Meter lang und hat einen Rumpf aus Kohlefaser. Das Schiff bietet Platz für 400 Personen. Das einzigartige Design ermöglicht es dem Passagier, auf allen Seiten des Schiffes zu fotografieren. Jährlich werden 700 Rundfahrten zwischen Flåm und Gudvangen angeboten. Der Riesenakku muss bei jedem Andocken, spätestens aber nach 56 km wieder geladen werden.
Der Chief Officer ist natürlich stolz, zusammen mit dem Kapitän dieses moderne Schiff steuern zu dürfen. Es stehen ihm auch Radaranlagen zur Verfügung, welche z.B. bei Nebel wichtig sind, um Kollisionen zu vermeiden.
Wieder zurück im Nærøyfjord bieten sich abermals tolle Motive, diesmal in etwas anderem Licht als noch frühmorgens. Diese Fjordfahrt heute, darin sind wir uns einig, zählt zu den Highlights unserer Reise.
Voller Fjord-Eindrücke verlassen wir Gudvangen mit unserem Sumo Richtung Süden. Der 110 Meter hohe Wasserfall Tvindefossen wird täglich von fast tausend Touristen besucht. Dem Wasser wird verjüngende und potenzsteigernde Wirkung nachgesagt. Daher sieht man v.a. Asiaten, wie sie ihre Trinkflaschen hier füllen. Eigentlich eine gute Sache, wenn die Chinesen dafür die Nashörner und Tiger in Ruhe lassen würden?!
Die Suche nach wilden Stellplätzen für unseren Sumo ist in Norwegen schwieriger als in Schweden, weil die engen Täler und Fjorde naturgemäss weniger Platz bieten. Daher machen wir ab und zu einen Abstecher in die Berge und Hochebenen, wo wir weiterhin traumhafte Seen und freie Stellplätze finden. Hier sind wir am Stokkavatnet. Wassertemperatur 20°C.
Ursprünglich planten wir nach Bergen zu fahren und anschliessend der Küste weiter nach Süden zu folgen. Doch die Erlebnisse mit der Natur prägen uns dermassen, dass wir uns entscheiden, die Städte zu meiden und lieber weitere Naturschönheiten im Inland zu besuchen. So schwenken wir auf die Inland-Route nach Süden ein und machen einen Abstecher zum spektakulären Wasserfall Vøringsfossen. Die mit Abstand beste Aussicht geniesst man von den kostenlosen Besucherplattformen des Fossli-Hotels auf der gegenüberliegenden Seite des Wasserfalls.
Wir folgen der Ostseite des Sørfjords weiter Richtung Süden und passieren die Ortschaft Ullensvang. Der Fjord ist von hohen Bergen vor den Kapriolen des Westwind-Wetters geschützt. Zusammen mit dem mässigenden Einfluss des Fjords herrschen hier ideale Bedingungen für den Obstanbau. So werden alleine hier 80% der norwegischen Kirschen geerntet!
Und was für welche! An teilweise herrenlosen Strassenständen mit Kässeli verkaufen die lokalen Bauern kiloweise Kirschen. Auch wir schlagen zu! Die Kirschen schmecken sehr süss und aromatisch.
Diese Nacht bleiben wir am Sørfjord und finden einen Stellplatz auf einem riesigen Kiesplatz mit toller Aussicht neben der Strasse.
Nach Odda entschliessen wir uns spontan, einen Abstecher zum Buerbreen-Gletscher zu machen.
Wir lassen unseren Sumo auf einem kostenpflichtigen Parkplatz stehen, schnüren die Wanderschuhe und begeben uns auf den gut zweistündigen Anstieg zum Gletscher.
Es tut gut, wieder etwas zu Fuss zu unternehmen. Der Weg ist sehr abwechslungsreich und teilweise auch schwierig. Für unsere Kinder scheint er aber ideal zu sein: Spannend, da man nicht um die nächste Ecke sieht. Herausfordernd, da es einzelne Kletterpassagen hat. Sie eilen dermassen geschwind voraus, dass ich sie oft zurück pfeifen muss. Schliesslich möchte ich ab und zu noch ein Foto von ihnen machen.
Das obligate Selbstauslöser-Familienfoto am Ziel, mit Sicht auf den Buerbreen-Gletscher. Unter anderem für solche Fotos habe ich auf Wandertouren immer mein kleines Stativ dabei, welches weniger als 1 kg wiegt.
Wieder auf dem Rückweg. Unsere Kinder lieben Hängebrücken …
… und andere Brücken und Herausforderungen. Als ich zum Bach komme, sind sie bereits bei der kritischen Passage mitten im Bach, wo sie flink und ohne Furcht hinüber tänzeln. Ganz zum Erstaunen einer zuschauenden Frau, die offenbar mit zitternden Knien am Bachufer steht. „Ohhhh, where are you from?“, fragt sie uns. Sie komme aus Südschweden und meint „No mountains there!“ Die Kinder sind längst drüben und schauen uns amüsiert zu, wie wir die Passage meistern. Stolz denke ich für mich, dass wir jetzt die Früchte dafür ernten, dass wir mit unseren Kindern viel in der Natur unternehmen. Es macht ihnen offensichtlich ebenso viel Spass wie uns. Rückblickend zeigt es sich auch hier wieder, dass bei Kindern alles eine Frage der Motivation ist. Die gleiche Wegdistanz, eben und geradeaus auf einem langweiligen Weg wäre fast ein Ding der Unmöglichkeit! Die Kinder brauchen Action, Abwechslung und Herausforderung!
Der Låtefossen ist einzigartig, da hier zwei separate Bäche vom obenliegenden See herunterfliessen und sich vereinen.
Auf unserer Inlandroute fahren wir über den Haukelipass statt durch den Haukelitunnel. Wir werden belohnt von schönen Aussichten auf den Oysteinsvatnet (See).
Am Abend erreichen wir schliesslich den Hartevatnet bei Hovden. Das obligate Bad liegt bereits hinter uns, während wir bei Sonnenuntergang nachtessen.
Die Kinder spielen in einer Halde mit lauter Felsbrocken und entdecken eine für sie geräumige Höhle.
Wir folgen dem Otra-Fluss weiter gegen Süden. Einmal gefällt uns die Flusslandschaft so sehr, dass wir einen Abstecher zum Fluss machen. Während die Kinder schon in den Badehosen herumtanzen, möchte ich noch ein paar Fotos von dieser ausgewaschenen Felslandschaft machen. Mit meiner neuen Nikon Z7 auf dem Stativ fotografiere ich mit Graufilter und langen Verschlusszeiten, damit das Wasser verwischt erscheint (0.4 Sek, f 8.0, ISO 200). Ich bin noch nicht zufrieden mit dem Ergebnis und möchte näher ans Wasser, um die Wasserbewegung mehr in den Vordergrund zu rücken. Plötzlich rutschen die Füsse unter mir weg. Reflexartig lasse ich Stativ und Kamera los, um mich mit den Händen aufzufangen. Kamera und Stativ fliegen in hohem Bogen Richtung Fluss, knallen auf einen Felsen. Das Stativ bleibt liegen, die Kamera löst sich und schwimmt davon. Da springe ich ins Wasser und kann die Kamera gerade noch am Halsriemen halten. Ich halte sie hoch, ein kurzer Blick auf das Display … Mist, sie ist noch eingeschaltet. Sofort schalte ich die Kamera aus und nehme den Akku heraus, um einen Kurzschluss in der Elektronik zu vermeiden. Der variable Graufilter hat einen Hick bekommen, der Stativdrehknopf ebenfalls. Auf den ersten Blick sind keine weiteren Schäden festzustellen. Der Schlag wurde offenbar zum grossen Teil vom Stativkopf absorbiert.
Oje. Ich befürchte einen Totalschaden durch Wasser, wie mir das zur analogen Zeit in Borneo auch schon bei zwei Kameras passiert ist. Trotzdem trockne ich die Kamera mit einem Baumwolltuch, drehe das Zoom einige dutzend Male auf und wische den feuchten Tubus abermals ab. Mit meinem Blasbalg blase ich alle verbleibenden Tropfen aus den Öffnungen (eingebautes Mikrofon, Lautsprecher, Steckanschlüsse, Tasten …). Als ich das Objektiv abnehme, stelle ich zum Glück fest, dass kein einziger Tropfen im Gehäuse zu sehen ist. Während dem Trocknen an der Sonne kann ich weder im Sucher noch auf den Displays Kondenswasser ausmachen. Ich gewinne wieder Hoffnung, wage aber erst am nächsten Tag den Akku wieder einzufügen: Die Kamera funktioniert! Es steigt Bewunderung in mir hoch, dass diese Kamera sowohl Schlag als auch Taucher dermassen gut überlebt hat. Das ist wahrhaftig eine robuste Kamera. Die abgedichteten Tasten und der präzis schliessende Bajonettverschluss konnten das Eindringen von Wasser verhindern. Ich kann nun meine Reservekamera (D750) wieder wegstecken und weitere – hoffentlich etwas harmlosere – Erfahrungen mit der neuen Z7 sammeln (siehe auch mein Fazit über die Nikon Z7).
Die kleine Regenfront hält unsere Kinder nicht davon ab, an einer vorgefundenen Hütte weiter zu bauen.
Der Otra-Fluss unterhalb von Byglandsfjord gleicht streckenweise einem See. Nach dem Bade am Abend haben sich die Wellen wieder geglättet. Die Abendsonne lugt nochmals unter den Wolken hervor und zaubert eine schöne Stimmung am gegenüberliegenden Ufer. Wir geniessen unseren letzten wilden Platz in Norwegen. Morgen werden wir nach Kristiansand ganz im Süden von Norwegen fahren, von wo wir mit der Fähre nach Dänemark übersetzen wollen.
Das Wetter hat abermals umgeschlagen. Die Prognose für die nächsten Tage meldet viel Regen und Wind. Das erleichtert uns den Abschied von Norwegen, welches wir als landschaftlich sehr abwechslungreich und schön erleben durften. Die Fähre bringt uns nach Hirtshals in Dänemark.
Da wir in Schweden und Norwegen keine Meeresstrände besucht haben, nutzen wir die Gelegenheit in Dänemark gleich nach der Ankunft in Hirtshals. Der Strand von Tornby ist sehr lang. Der Lebensrettungs-Dienst ist zwar „on duty“, aber bei dem Wetter sehen wir nur einige Strandspaziergänger in Windjacken und langen Hosen.
Selena und Annika aber haben die Badehose schon angezogen bevor wir richtig parkiert haben. Sie rennen auf die Wellen los wie Pferde im Frühling auf die Weide. Das schätzungsweise 16°-kühle Wasser und der frische Wind hält sie nicht davon ab. Offenbar sind sie nach den unzähligen Bädern in kühlen Flüssen und Bergseen mittlerweile abgehärtet.
Wir fahren weiter nach Süden. In Odense besuche ich meinen alten Freund Lars und seine Frau. Wir haben im Jahre 1992 zusammen auf abenteuerliche Weise die Insel Borneo durchquert. 2002 besuchte ich die beiden das erste Mal hier in Odense, seither sahen wir uns nicht mehr. Der Kontakt brach ab, da die E-mail-Adresse ungültig war und er auch nicht über die Sozialen Medien ausfindig zu machen war. Immerhin, im elektronischen Telefonbuch war noch ein Lars an der selben Adresse wohnhaft. Aus Norwegen rief ich einige Tage vorher an und es passte mit einem Treffen! Nach 17 Jahren! Beide sind wir nun froh, dass es mit dem Wiedersehen klappt. Wir verstehen uns immer noch blendend. Auch Lars ist sehr naturinteressiert und gibt uns viele Tipps für unsere zwei Tage in Dänemark.
Ribe ist die älteste Stadt Dänemarks und eine der schönsten mittelalterlich geprägten Städte überhaupt. Als der Missionar Ansgar von Bremen im Jahr 860 einen Platz für die erste in Skandinavien zu errichtende Kirche suchte, fiel seine Wahl auf Ribe. Kein Zufall, denn die Stadt war schon damals der bedeutendste Handelsort des Nordens, bedingt durch den guten Hafen und den schiffbaren Fluss. Es bestanden schon früh Handelsverbindungen nach Norddeutschland und England, insbesondere nach Stade, Bremen, Köln, Brügge und Utrecht.
Die Hauptsehenswürdigkeit von Ribe ist sein Dom, mitten im Kern des Ortes. Sie ist der einzige fünfschiffige Kirchenbau und die älteste Domkirche des Landes. Ansgars ursprüngliche Kirche war ein Holzbau und hatte vermutlich noch mehrere Nachfolgebauten in Holz. Zwischen 1110 und 1134 liess Bischof Thure die Steinkathedrale errichten. Der 52 Meter hohe so genannte Bürgerturm wurde erst 1333 fertiggestellt, das Wahrzeichen der Stadt. Darin hängt eine grosse Sturmglocke, die früher bei Sturmflut, Feuer- und Kriegsgefahr geläutet wurde.
Der Bürgerturm kann bestiegen werden und bietet eine wunderbare Aussicht auf die mittelalterliche Stadt.
Der Hafen von Ribe, früher die Quelle des Wohlstands, hat heute wegen dem besser erreichbaren Hafen Esbjerg im Norden und dem Aufstieg von anderen Städten wie z.B. Kopenhagen kaum mehr Bedeutung.
Heute lebt die Stadt vom Tourismus, denn sie hat neben dem Dom auch noch viele andere Sehenswürdigkeiten zu bieten. Uns gefallen die unzähligen gepflasterten Gassen mit den schön renovierten alten Häusern.
Die Stadt versprüht so viel Charme, dass wir noch bis in die Dämmerung fotografieren. Erst dann kehren wir zum öffentlichen Parkplatz zurück, wo wir die Nacht kostenlos verbringen können. Der Parkplatz ist für Touristen eingerichtet und bietet Toiletten und Entsorgungsstation. Deshalb parken hier auch noch andere Wohnmobile. Eine perfekte Ausgangsbasis zum Erkunden der Stadt und des Umlandes.
Am nächsten Morgen fahren wir vom nahen Dorf Vester Vedsted aus mit einem Traktorbus auf die Insel Mandø.
Wir erkennen bald, warum dieser Bus als Traktor konzipiert ist. Die rund fünf Kilometer fahren wir streckenweise im untiefen Wattenmeer, eine Landschaft, die wir alle zum ersten Mal erleben.
Das Wattenmeer ist eines der letzten verbleibenden natürlichen grossräumigen Ökosysteme in Europa, in welchem natürliche ökologische und biologische Prozesse auch heute noch ungestört ablaufen. Diese Übergangswelt zwischen Land und Meer ist durch die ständige Veränderung infolge von Ebbe und Flut, starke Schwankungen des Salzgehaltes, hohe Temperaturen im Sommer und gelegentlicher Eisbedeckung im Winter gekennzeichnet. Folge dieser Verhältnisse sind zahlreiche ökologische Nischen, die von Arten besiedelt werden, welche an extreme Umweltbedingungen angepasst sind.
Als ich den Traktorfahrer frage, was man hier mit Kindern unternehmen könne, holt er mir ein Netz aus dem Schopf und meint, dass es im Wattenmeer viel zu entdecken gäbe.
Mit seinen Ästuaren, Salzwiesen und insbesondere seiner breiten, von tiefen Rinnen durchzogenen Gezeitenzone, wirkt das Wattenmeer als gigantisches Küstenfiltersystem. Dabei wird Süss- und Meerwasser vermischt und mit den Gezeiten hin- und her gespült. Gewaltige Mengen an Sedimenten und organischen Stoffen werden transportiert und zum grossen Teil abgelagert. Zusammen mit den Nährstoffen und den Nahrungspartikeln aus dem Einzugsgebiet und den Atlantikgewässern bilden sie die Basis des enormen Nahrungsangebotes.
Krebse beispielsweise ernähren sich wie gewisse Fische oder Vögel gerne von Wattwürmern, die milliardenfach vorkommen.
Mit ihren typischen Sandkringeln prägen Wattwürmer das Landschaftsbild des Wattenmeers und sind die Grundlage vielen Lebens. Sie graben den Wattboden bis 20-mal pro Jahr um!
Das Wattenmeer von Mandø ist Teil des dänischen Nationalparks Wattenmeer. Dieser wurde 2010 gegründet und 2014 ins UNESCO-Weltnaturerbe Wattenmeer aufgenommen, das bis anhin nur deutsche und niederländische Gebiete umfasst hat. Nach dem langem Spaziergang fahren wir mit dem Traktorbus zurück nach Vester Vedsted, wo wir mehr über diesen einzigartigen Lebensraum wissen wollen.
Das Wattenmeer-Zentrum bietet die mit Abstand tollste naturwissenschaftliche Ausstellung, die ich je besucht habe. Weltklasse!
Die Simulation eines Vogelschwarms. Die Wattenmeer-Ausstellung ist auch für Kinder sehr kurzweilig mit vielen Spielen, Touch-Bildschirmen, Kurzvideos, einem Vogelton-Musik-Composer und einem Touch-Pool, wo Wattenmeer-Tiere berührt werden können. Sehr empfehlenswert. Wir bleiben so lange, bis uns das Personal wegen Schliessung vor die Tore weist.
Am nächsten Tag müssen wir definitiv die längere Heimreise antreten. Zwei Tage bleiben uns noch. Wegen dem Verkehrschaos um Hamburg kommen wir erst am Nachmittag in der Lüneburger Heide an. Eine kleine Rundwanderung bringt uns diese einzigartige Landschaft näher. Die Heidelandschaften sind seit der Jungsteinzeit durch Überweidung der ehemals weit verbreiteten Wälder auf unfruchtbaren Sandböden entstanden. Die noch vorhandenen Reste dieser historischen Kulturlandschaft sind für den Tourismus in Norddeutschland von Bedeutung und werden vor allem durch die Beweidung mit Heidschnucken (Schafe) offen gehalten und teilweise in Naturparks gepflegt.
Es gefällt uns gut hier. Auch Deutschland hat touristisch viel zu bieten. Auf der Rückfahrt durch Deutschland begegnen wir entlang der Autobahn vielen Tafeln mit weiteren Ankündigungen von touristischen Highlights, von denen wir noch nie gehört haben. „Warum immer so weit weg fahren?“, sinnieren wir, überdrüssig vom Fahren auf der Autobahn. Deutschland wäre sicher auch mal eine Sumo-Tour wert!
Fazit
Die Reise hat uns allen sehr gefallen, und wir finden, dass wir aus den drei Wochen das Beste rausgeholt haben. Den Leser mögen noch folgende abschliessende Gedanken interessieren:
- Das Summermobil (VW-Bus) ist zwar klein, bietet aber alles, was man als vierköpfige Familie braucht. Betten, Kühlschrank und Sonnen- bzw. Regendach braucht es unbedingt. Auf das Lavabo und die eingebaute Kochstelle drinnen könnte man auch verzichten, das haben wir vergleichsweise wenig benutzt. Der Vorteil von einem kleinen Fahrzeug: Es verbraucht vergleichsweise wenig Diesel, passt auf jedes Parkfeld (auch in Parkhäusern) und lässt einen dank dem Vierrad-Antrieb auch in schwierigem Gelände nicht im Stich. Und man kann – sofern man das Dach nicht aufklappt – unauffällig im Auto übernachten. Das mag in gewissen Ländern vorteilhaft sein.
- Da wir nie auf Campingplätzen übernachtet haben, mussten wir mit dem Strom, welches das Fahrzeug hergab, auskommen: Die eine Batterie ist nur für den Kühlschrank und die Innenbeleuchtung reserviert. Die andere ist für USB-Geräte gedacht. Hier konnten wir unsere Smartphones, den ipad, die Nikon Z7 und sogar mein MacBook Pro genügend aufladen. Es war immer genug Strom da.
- Frischwasser haben wir in Kanister und Flaschen abgefüllt, wenn immer sich die Gelegenheit dazu ergab, z.B. auf öffentlichen Toiletten, an Brunnen oder Tankstellen.
- Für fotografisch Interessierte habe ich unter Häufige Fragen meine aktuelle Foto-Ausrüstung aufgelistet und meine ersten Erfahrungen mit der spiegellosen Systemkamera Nikon Z7 zusammengefasst.
6 Antworter auf Familienreise im Norden