Über die schönsten Alpenpässe von Olivone (TI) nach Saas Fee (VS)
Alle zwei Jahre unternehmen ein paar Freunde und ich ein ausgedehntes Abenteuer-Trekking in freier Natur. Wir waren schon zusammen in Sibirien, in den USA und in Schweden. „Aber warum so weit weg, wenn wir doch die wunderschöne Wildnis der Alpen in nächster Nähe haben“, gibt Tom zu bedenken. Er fackelt nicht lange und sendet uns bereits ein Jahr vor dem eigentlichen Trekking einen fixfertigen Vorschlag mit einem Satz pdf-Karten. Wir sind bald alle begeistert von seiner Idee, die Alpen auf einem Weit-Wanderweg während zwei oder drei Wochen zu durchqueren und so einmal ganz anders zu erleben.
In Olivone (TI) marschieren wir los. Wir wollen dem Alpenpässe-Weg folgen, der nationalen Wanderoute Nr. 6. Diese beginnt in Chur und endet in St. Gingolph am Genfersee, nach 34 Tagesetappen und einer Strecke von 610 km. Tom, der Initiator des Trekkings, ist mit seinem Freund schon ein paar Tage vorher gestartet und bis nach Olivone gewandert. Ab hier sind wir nun zu viert ( v.l.n.r.): Franz, Tom, ich und Kaspar. Ob wir den Genfersee erreichen in den noch zur Verfügung stehenden 16 Tagen ist fraglich. Da müssten wir um einiges schneller unterwegs sein als die Initianten dieses Wegs vorgesehen haben.
Von Olivone steigen wir hinauf Richtung Lukmanier-Pass. Das Wetter ist uns wohlgesinnt. Für den Anstieg fast etwas warm. Oder liegt es an unseren schweren Rucksäcken, an die wir uns erst noch gewöhnen müssen? Wir haben unsere Rucksäcke sehr umsichtig gepackt und mit der Gepäckwaage darauf geachtet, dass wir nicht viel mehr als 20 kg tragen müssen. Das ist gar nicht so einfach, wenn die Küche (paar Tage Proviant, Kocher, Benzin), das Schlafzimmer (Zelt, Mätteli, Schlafsack, Reservekleider) und das Hobby-Atelier (Kamera, Objektive, Stativ, Solarzellen etc.) mitkommen sollen.
Blick vom Croce Portera ins Tal von Acquacalda und auf die gegenüberliegende Seite, wo wir heute noch bis hinter den Horizont gelangen wollen. Wir haben mehrere Sätze mit ausgedruckten Karten dabei. Wir folgen zwar der allgemeinen Richtung des Alpenpässe-Wegs, planen aber davon abzuweichen, wenn dies eine schönere Route verspricht.
Der Aufstieg durch den Wald „Selva Secca“ gefällt mir besonders. Im Anschluss kommen wir an Feuchtgebieten vorbei. Sehr abwechslungsreich.
Es ist der 30. August 2019. Der endende Sommer bringt vielerorts schon prächtige Pilze hervor, die aber meist nicht geniessbar sind, wie dieser Fliegenpilz hier.
Die Sonne scheint immer noch, als uns ein kleiner vorübergehender Schauer erfrischt.
Wir folgen dem Tal des Lareccio-Baches und geniessen immer wieder schöne Lichtstimmungen.
Unterhalb des „Passo del Sole“ bietet sich eine wunderschöne Panorama-Sicht auf den Lago dei Canali und seine Zuflüsse.
Kaspar und ich möchten natürlich tolle Fotos machen, wenn wir schon schwere Kameras mittragen. Franz und Tom dagegen sind meist weit voraus und warten vermutlich schon auf der Passhöhe.
Kurz vor dem Pass begegnen wir nochmals einer Herde von Kühen, die uns fast bis auf den Pass folgt. Eines ist klar: Wir wollen auf keinen Fall da zelten, wo Kühe sind. Das würde eine unruhige Nacht werden.
Glücklicherweise können wir die Kuhherde vor dem „Passo del Sole“ abschütteln. Auf der anderen Seite finden wir einen flachen Schlafplatz neben einem kleinen Bach, wo wir baden und Wasser holen können. Weit und breit keine Kuh. Erholsame Ruhe mit bester Aussicht.
Der klare Sternenhimmel verspricht weiterhin gutes Wetter.
Am nächsten Morgen nach dem Frühstück kündigt das Glockengeläut eine Herde junger Munis an. Sie beobachten uns neugierig aus der Distanz.
Der improvisierte Gurt von Franz scheint besonders zu interessieren.
Als das Rind jede Hemmung verliert, …
… muss sich Franz wieder Respekt verschaffen und für die anderen Zuschauer ein Exempel statuieren.
Bis wir gepackt haben, müssen wir die Tiere noch ein paar Male wegscheuchen und auf Distanz halten.
Wir wandern das Val Piora hinaus und kommen zum Ritom-See. Wie viele Seen hier ist auch dieser ein Stausee für die Stromproduktion.
Wir umgehen den See auf seiner Südseite. Dieser Weg ist zwar weiter, aber landschaftlich schöner. Danach folgt ein längerer Abstieg von rund 700 Höhenmeter bis nach Airolo, wo wir am frühen Nachmittag eintreffen.
Hier gönnen wir uns die Pizzas, von denen wir schon einige Stunden vorher fantasieren. Wenn man 8 bis 10 Stunden pro Tag mit schwerem Rucksack über Pässe wandert, verbraucht man mehr Kalorien als man an diesen Tagen jeweils wieder zu sich nehmen kann. Wir stocken unsere Vorräte auf und steigen am späten Nachmittag auf der Südseite des Bedretto-Tales auf.
Wir befinden uns bereits wieder auf 1800 m.ü.M. und blicken Richtung Gotthardpass. Die letzte Nacht haben wir wegen des Regens auf der bedachten Terrasse des Selbstbedienungs-Restaurants der Seilbahn-Mittelstation verbracht.
Die Sicht ist nach dem Regen um so klarer. Auf einsamen Wegen wandern wir der Südseite des Bedretto-Tales entlang weiter Richtung Westen.
Es geht durch Weiden und lichte Lärchenwälder in sanftem Auf und Ab.
Teile des Weges wurden kürzlich zum Mountain-Bike-Trail ausgebaut, wie wir aufgrund der Fahrspuren unschwer erraten können.
Wir haben zwar einen Wasserfilter dabei, brauchen diesen aber praktisch nie. Das Wasser der meisten Bäche auf unserem Trekking scheint uns trinkwürdig. Und da es immer wieder Auftank-Möglichkeiten gibt, bin ich während des Trekkings dazu übergegangen, jeweils direkt aus meiner angehängten Tasse zu trinken und nur einen „Notschluck“ im Rucksack zu tragen.
Über der Waldgrenze haben wir wieder freie Sicht auf die Bergwelt. Meine Freunde warten geduldig auf mich. Sie wissen aus Erfahrung, dass sie dafür mit schönen Erinnerungsfotos rechnen können.
Wir nähern uns dem Ende des Tales und somit dem Nufenenpass.
Der Alpenpässe-Weg ist so angelegt, dass man am Ende einer Etappe in einer Hütte oder einem Gasthof übernachten kann. Da wir völlig autark unterwegs sind, können wir die Etappen grosszügig umgestalten und marschieren deshalb an der Corno-Griess-Hütte vorbei.
Wir steigen das Val Corno hinauf in die rauhe Bergwelt.
Die Pflanzen hier schliessen sich zu Polstern zusammen, damit sie dem kühlen und rauhen Klima besser trotzen können.
Am Griess-See am Fusse des gleichnamigen Gletschers bauen wir unsere Zelte auf und gehen baden. Sauberkeit muss sein. Ein Bad tut nicht nur dem müden Körper sehr gut, sondern schätzt auch mein Schlafsack. Hier auf über 2400 m.ü.M. geht abends ein kühler Wind, sodass wir in einer Mulde kochen müssen.
Am nächsten Morgen stösst Thomas zu uns, sodass wir den Griesspass zu fünft überqueren. Wir weichen hier vom Alpenpässeweg ab und möchten via Italien direkt ins Binntal gelangen.
Die schöne Aussicht auf das Griesstal bestärkt uns in unserem Entscheid.
Während der Mittagspause bleibt auch Zeit für das eine oder andere Detail.
Vom Lago di Morasco aus nehmen wir bereits den nächsten Pass in Angriff, den Passo di Nefelgiu.
Da wir ab heute zu fünft unterwegs sind, muss natürlich auch ein neues Gruppenfoto sein (v.l.n.r.): Dominique, Kaspar, Franz, Tom und Thomas.
Und wieder runter. Stöcke sind für solche Abstiege mit schwerem Rucksack unerlässlich zur Schonung der Gelenke und Beinmuskeln.
Der Stausee Lago Vannino.
Wir umgehen diesen See auf seiner Westseite und steigen danach nochmals an.
Hinter jeder Geländekuppe hoffen wir, endlich auf einen geeigneten Lagerplatz zu stossen.
Doch nichts bietet sich an. Ein letzter Blick zurück zum Lago Vannino.
Wenn auf dieser Seite kein Schlafplatz zu finden ist, müssen wir nochmals einen Pass überwinden, den „Scatta Minoia“. Neben der Lagersuche treibt uns auch immer wieder dieselbe Neugierde die Pässe hoch. Wie sieht es auf der anderen Seite aus? Deckt sich meine Vorstellung, die ich mir aufgrund der Kartenangaben gemacht habe, mit der Realität?
Auf der anderen Seite finden wir schliesslich den perfekten Lagerplatz. Wir gönnen uns ein erfrischendes Bad auf 2400 m.ü.M. und machen uns nach dem Zeltaufbau gleich ans Kochen.
Heute kocht uns Thomas einen deftigen Eintopf mit Kartoffeln und Würsten. Mir scheint, nach einem anstrengenden Tag in den Bergen schmeckt alles noch viel besser als zuhause. Die Einstiegs-Überraschung von Thomas gelingt, und wir sind alle glücklich. Und Thomas selber ist wohl froh, dass er dieses schwere Festmahl nicht noch weiter tragen muss.
Im Morgenlicht zeigt sich erst, was wir für einen idyllischen Ort wir gestern beim Eindunkeln ausgesucht haben.
Bei herrlichstem Wetter steigen wir ab zur „Alpe Forno inferiore“. Die Gegend ist einsam. Schon seit drei Tagen haben wir keine anderen Wanderer mehr gesehen! Da war es sogar in Schwedens Norden oder im amerikanischen Sequoia noch belebter.
Auf dem Höhenweg zum Albrunpass, der uns wieder zurück in die Schweiz führen wird, blicken wir hinunter zum Lago di Devero. Hier und an anderen Orten erinnere ich mich ab und zu an einzelne höchstens zwei- oder dreitägige Sommer- oder Wintertouren, welche ich bereits einmal unternommen habe. Jetzt aber, wo wir ganze Alpenregionen auf einmal durchwandern, erlebe ich meine Heimat auf eine ganz neue Art. Das zusammenhängende Erfahren gibt mir ein neues Raum- und Zeitgefühl, welches sich in einer Grundstimmung zeigt: „Alles ist möglich, wenn man sich nur genug Zeit nimmt“.
Zurück in der Schweiz. Blick vom Albrunpass ins Binntal. Jeder Pass birgt das Geheimnis des Unbekannten auf der anderen Seite. Mit jedem Tal entdecken wir eine neue Welt und lassen eine andere hinter uns.
Ab und zu sind wir so überwältigt von der Natur, die uns umgibt, dass wir uns einfach hinsetzen und den Glücksmoment geniessen.
Franz ist meist der erste, den es wieder weiter zieht. Obwohl er der älteste der Gruppe ist, zeigen sich bei ihm weder Müdigkeit noch Beschwerden. Durch jahrelanges Training in den Alpen hat er sich eine bemerkenswerte Kondition aufgebaut.
Der Duft von Lärchenharz liegt in der Luft, als wir das Binntal hinaus wandern.
Im Dorf Binn gibt es einen Volg-Laden, wo wir wieder einkaufen können. Schon ein paar saftige Äpfel und knackige Rüebli lösen bei uns Begeisterungsstürme aus.
Weniger begeistert ist Kaspar. Das Express-Paket seiner Mutter ist nicht angekommen. Dieses hätte ihn mit neuen Wundkompressen und Klebeband versorgt. Seine Füsse sind geschunden, die Schuhe seines Bruders wollen nicht recht passen.
Auch Thomas wird von Blasen geplagt. Die Schuhe und Füsse bei Pausen zu lüften tut nicht nur gut, sondern beugt auch weiteren Blasen vor.
Mit frischen Vorräten an Proviant und Kocher-Benzin steigen wir ins Saflischtal ein. Wir sind müde und hoffen, bald einen Lagerplatz zu finden.
Unsere Geduld wird belohnt. Am Ufer des Baches bei einem kleinen Stausee finden wir den perfekten Ort für unser erfrischendes Bad und das Nachtlager. Sogar eine Feuerstelle ist da und genügend Brennholz liegt bereit. Nach einer flüssigkeitsspendenden Lauchsuppe verwöhnt uns Tom mit einem Steinpilz-Risotto und ein paar Keksen zu Pfefferminz-Tee.
Mich erstaunt es immer wieder, wie man sich nach gutem Essen und einer bequemen Nacht in der freien Natur erholen kann. Klar, hier kommt uns sicher auch unsere Outdoor-Erfahrung und die perfekt abgestimmte Ausrüstung zu Gute. Oder liegt es am Ende doch an der Tatsache, dass wir uns hier unter Freunden und in der Natur, weit weg vom Ballast des Alltags, einfach sehr wohl fühlen? Wir blicken zurück ins Saflischtal. Auf dem Weg zum Saflischpass treibt uns wieder diese Neugierde, wie die Welt hinter dem Pass wohl aussieht.
Abermals werden wir belohnt von einer wunderbaren Aussicht. Im Hintergrund macht das Weisshorn (4506 m) seinem Namen alle Ehre. Wir freuen uns auf die anstehenden Etappen, die uns um die Walliser Hochalpen führen.
Im Wallis sind die Wanderwege häufig entlang so genannter „Suonen“ geführt. Das sind freiliegende Wasserkanäle, welche hauptsächlich zur Bewässerung von landwirtschaftlichen Nutzflächen, aber auch zur Trink- und Tränkeversorungung angelegt wurden. Solche künstlichen Bewässerungssysteme in den niederschlagsarmen Zonen des Wallis reichen aufgrund archäologischer Funde bis in die römische Zeit zurück. Wir schätzen sie vor allem deshalb, weil die daneben liegenden Wanderwege zur Abwechslung einmal ganz eben verlaufen.
Oje. Kaspar bemerkt, dass sich seine Schuhsohlen lösen. Es entbrannt sofort eine Diskussion und jeder berichtet von solchen Erfahrungen. Egal, ob man seine Wanderschuhe viel oder wenig trägt. Nach 5 Jahren steigt offenbar bei heutigen Wanderschuhen das Risiko markant, dass sich die Sohle von der stossdämpfenden Zwischenschicht löst.
Mit Reepschnur und Tape wird der Schuh behelfsmässig geflickt, sodass sich die Sohle nicht noch weiter löst.
Die Suonen verlaufen teilweise eng an Felswänden und erlauben uns ein müheloses Vorwärtskommen.
Beim Aufstieg zur Bortelalp blicken wir in den Kessel von Furggubäum. „Es könnte in Nepal sein“, stellt Tom beim Vorbeigehen fest.
In der Bortellhütte ist es Zeit für ein Bier oder eine Apfelschorle. Dank faltbarer Solarzellen und dazu passendem Stromspeicher können Tom und ich den Strombedarf von all unseren Geräten (Mobiltelefone, Kameras, Taschenlampen) zuverlässig sicherstellen. Bei jeder Pause achten wir darauf, dass unsere Rucksäcke optimal zur Sonne platziert sind.
Von der Hütte geniessen wir einen fantastischen Ausblick über die Simplonstrasse bis zum Walliser Haupttal. Von hier nehmen wir noch zwei weitere Wanderstunden auf uns bis zur Wasenalp, wo wir unser Lager aufschlagen.
Als wir am Morgen aus dem Zelt schauen, können wir in der Ferne den charakteristischen Gipfel des Bietschhorns erkennen, wie er aus der Wolkendecke ragt.
Für unser Frühstück – meistens Hafer- oder Griessbrei – nutzen wir gerne den komfortablen Tisch der „Schweizer-Familie“-Feuerstelle.
Ab und zu entschliessen wir uns aufgrund des Kartenstudiums zu Abkürzungen.
Jetzt, Anfang September, wimmelt es bei warmen Temperaturen überall von Heuschrecken. Zu dutzenden retten sie sich jeweils auf die Seite kurz bevor unser Schuh auf den Boden aufsetzt.
Weil wir uns von süssen Heidelbeeren verführen lassen, sinkt heute Morgen das Marschtempo bedenklich.
Aber wie sagt man so schön: „Man soll die Feste feiern, wie sie fallen“. Was wäre eine solche Tour, wenn man sich für die kleinen schönen Dinge keine Zeit nehmen würde.
Bald sind Finger und Zunge blau, und wir gehen zufrieden weiter.
Wir wandern auf den Simplon-Pass zu. Die Schön-Wetter-Periode ist vorbei, und es zieht Bewölkung auf. Der Regen soll aber erst am späten Nachmittag eintreffen. Wir wollen auf jeden Fall vorher unser Lager aufschlagen können.
Ein Blick von Westen her zurück zum Simplon-Pass. Im ehrwürdigen Simplon-Hospiz (markantes Gebäude hinten im Bild) konnte Kaspar doch noch sein Express-Paket in Empfang nehmen. Immer wieder verwöhnt uns die Sonne mit ihren wärmenden Strahlen.
Kaspar verfolgt den Wetter-Radar auf seinem Handy: Eine Front zieht von Nordwesten her ein. Aber es ist nicht ganz klar, um welche Zeit wir hier in den Bergen mit Regen rechnen müssen.
Und wieder weichen wir leicht vom offiziellen Alpenpässeweg ab und steigen auf einem wenig begangenen Pfad zur „Magelicke“ hoch. Wir sind gespannt auf das abgelegene Nanztal, welches sich uns dahinter zeigen soll.
Auf der Passhöhe ist an einem windgeschützten Ort aber erst mal Mittagspause angesagt. Die Portionen liegen fair aufgeteilt zum Verzehr bereit.
Die wilde Natur des unbewohnten Nanztals begeistert mich.
Der Weg ist komfortabel entlang der Höhenlinien angelegt und tiptop ausgebaut. Vermutlich fanden hier früher bedeutende Warentransporte statt.
Wir sehen keine Menschen weit und breit, dafür aber eine Herde von Walliser Schwarzhalsziegen. Diese regionale Ziegenrasse ist einerseits sehr robust und anspruchslos. Andererseits gilt sie wegen der Menge (600 kg pro Jahr) und dem Eiweissgehalt ihrer Milch als sehr leistungsfähig. Die Schwarzhalsziege kommt vor allem hier im Oberwallis vor. Der Fortbestand der Rasse war in den 1970er-Jahren stark gefährdet. Nur dank dem Einsatz von Privatpersonen und Vereinen ist der Bestand heute gesichert.
Der Himmel verdunkelt sich früher als erwartet. Nebelschwaden ziehen ins Tal.
Im oberen Fulmoos am Ende des Tals zwingen uns die Schauer, unsere Regenkleider anzuziehen. Die Stimmung und der von uns definierte „Cosy-Faktor“ (= Wohlfühl-Faktor) sinkt markant auf den bisher tiefsten Stand dieser Tour. Ich male mir bereits aus, wie wir heute Abend ohne Nachtessen in tropfnasse Zelte kriechen. Dann kommt wieder dieser schöne Gedanke an ein Walliser Fondue in der warmen Stube. Abenteuer ist in meinen Augen, wenn man nicht genau weiss, was einen erwartet. Abenteuer fordert Flexibilität bis hin zum Verlassen der eigenen Komfortzone. Am Schluss ist es gerade dieses Gespanntsein auf das Ungewisse, welches das Leben dann so spürbar macht. Klar, unsere grosse Outdoor-Erfahrung lässt uns ziemlich cool bleiben. Wir wissen, dass wir schon weitaus Schlimmeres erlebt haben und es am Ende meist gut kommt. Mit dieser unbewussten Zuversicht lässt sich jedes Abenteuer meistern.
Aber dass wir bei der Ochslägeren eine offene Schutzhütte entdecken, übertrifft sämtliche unserer Erwartungen!
Acht Schlafplätze liegen bereit. Ein Anschlag informiert, dass diese Hütte nicht buchbar ist und einzig für vorbeikommende, schutzbedürftige Wanderer gedacht ist. Die Gemeinde bittet um eine Übernachtungs-Gebühr von 5 Franken pro Person für die Benutzung der Infrastruktur und das Brauchen von Brennholz. Positiv überrascht runden wir diesen Obulus grosszügig auf und hängen unsere nassen Regenkleider auf.
Der Ofen sorgt bald für angenehme Wärme. Die Flädlisuppe schmeckt heute besonders gut.
Erst zum Zähneputzen wagen wir uns wieder hinaus vor die Hütte, weil da der Brunnen ist. Es regnet immer noch. In der Höhe fällt bereits Schnee!
Hoppla! Als wir am nächsten Morgen aufwachen, liegen bereits rund 10 cm Schnee. Es fallen immer noch dicke Schneeflocken. Das Studium der Wetterprognosen verheisst nichts Gutes für unsere weitere Tour. Auf den Pässen liegt teilweise über 50 cm Neuschnee, und in den nächsten Tagen soll es noch mehr schneien. Und das Ende Sommer am 6. September 2019!
Wie auch immer es kommt. Es macht Sinn, die Hütte zu verlassen …
… bevor wir weiter eingeschneit werden.
Der Weg führt wieder entlang einer Suone. Wir müssen darauf achten, dass wir nicht auf Steinen oder Röhren ausrutschen, die sich unter dem Schnee verbergen.
Jedem von uns wird langsam klar, dass wir bei noch mehr Schnee und durch wegloseres Gelände nicht heil über weitere Pässe kommen. Schon gar nicht mit unseren schweren Rucksäcken. Unsere Tour endet deshalb nach 8 Wandertagen in Saas Fee. Aber ohne Fondue oder Raclette wollen wir unseren Trip nicht beenden. Wir buchen kurzerhand ein Sechser-Zimmer im modernen Wellness-Hostel 4000 in Saas Fee. Dort verwöhnen wir unsere müden Füsse und Muskeln im Sprudelbad, später in der Sauna und im Dampfbad. Anschliessend geniessen wir das Salatbuffet und gestrichenes Raclette à discrétion im Restaurant des Hostels.
Auch am nächsten Morgen gehts nochmals in die Sauna, wo wir die Höhen- und Tiefpunkte der Tour nochmals Revue passieren lassen können. Das Alpen-Trekking hat allen sehr gefallen. Und wir wissen bereits jetzt, dass wir unsere Tour spätestens in zwei Jahren von hier aus wieder fortsetzen wollen.
Fazit
Auch vor unserer Haustüre gibt es tolle Trekkingmöglichkeiten, die bekannten Trekking-Klassikern in fernen Landen kaum nachstehen. Im Gegenteil, es sprechen sogar einige Punkte für ein solches Trekking in den Alpen:
- Gut erreichbar: Beliebige Start- und Endpunkte lassen sich mit öffentlichen Verkehrsmitteln sehr gut erreichen. Die Nähe spart Zeit und Kosten sowie gegenüber einer Fernreise natürlich viel CO2.
- Günstig: Ausser dem Zug-Billet und dem Proviant hatten wir keine zusätzlichen Kosten. Auch die Übernachtung im Freien ist gratis. Es sollten aber gewisse Regeln zum Campieren und Biwakieren beachtet werden.
- Gutes Wegnetz: Die Wanderwege in den Alpen sind sehr gut markiert.
- Gutes Kartenmaterial: Auf schweizmobil oder der Karten-App des Bundes kann eine Wanderung sehr gut geplant werden. Wir hatten Kartenausdrucke im A3-Format dabei, auf Papier und digital auf unseren Smartphones.
- Gute Wetterprognosen: Gerade in den Bergen ist es wichtig, über die Wetterentwicklung Bescheid zu wissen.
- Gutes Hüttennetz: Sollte des Wetter mal unerwartet umschlagen oder ein Notfall auftreten, so ist es meist nicht weit bis zur nächsten Hütte (z.B. SAC oder andere).
- Einfache Logistik: Auch wer ein paar Tage in der Wildnis verbringt, kann es gut einrichten, mal zum Einkaufen ins nächste Dorf abzusteigen. So muss nicht viel Proviant mitgetragen werden. Und falls mal etwas Wichtiges fehlen sollte, können Angehörige ein Paket an eine der Poststellen senden.
- Flexibilität: Dank der insgesamt guten Infrastruktur kann je nach Wetter- und Routenverhältnissen spontan umgeplant oder wie im vorliegenden Fall eine Tour ohne Kostenfolgen abgebrochen werden.
Bemerkungen für Foto-Interessierte
Auf dieser Tour hatte ich folgende Ausrüstung dabei. Aus meiner Sicht stellt sie einen guten Kompromiss dar und bietet bei wenig Gewicht trotzdem einen riesigen fotografischen Spielraum.
- Kamera: Nikon Z7. Sehr leicht und hochauflösend. Siehe auch mein Fazit über die Z7.
- Objektiv: Nikkor Z 14-30 mm/4.0 S, mit Hoya-Pol-Filter. Knackscharf bis in die Ecken. Praktisch keine Reflexe bei Gegenlicht.
- Objektiv: Nikkor Z 24-70 mm/4.0 S, mit Hoya-Pol-Filter. Kompaktes und superscharfes Allround-Objektiv für die meisten Fälle.
- Objektiv: Nikkor DX 70-300 mm 1:4,5-6,3 G ED VR mit FTZ-Adapter. Sehr leicht (415 g) und günstig. Objektiv hatte ich für das Trekking ausgeliehen, da mir andere Teles zu schwer waren. Vielleicht kommt bald etwas Passendes für das Z-Bajonett.
- Traveller-Carbon-Stativ Sirui T-025x mit Kugelkopf (knapp 1 kg).
- Fototaschen: Lowe Pro Topzoom angehängt am Hüftgurt rechts (passt für Z7 mit aufgesetztem 24-70 mm Objektiv, plus Zweitobjektiv 14-30 mm unten drin. Lowe Pro Köcher für Tele-Zoom, angehängt am Hüftgurt links.
- Reinigung: Blasbalg Giotto Rocket Air Blower, Pinsel, diverse Kunstfasertüchlein, eyelead Adhäsionstupfer zur Sensorreinigung, Green Clean Wet & Dry Sensortabs für hartnäckige Sensorverunreinigungen.
- Energieversorgung: 2 Reserve-Akkus. Sistech Solarflex 10W mit Powerbank 13’000 mAh, USB-Ladegeräte für Kamera-Akkus und normale Taschenlampen-Batterien.
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