Trekking in Kaliforniens wilder Sierra Nevada
Während der längeren Familienreise im Westen der USA (siehe vergangene 5 Reiseblogs) wurde das Bedürfnis geweckt, wieder einmal mit gleichgesinnten Freunden loszumarschieren. Ohne auf Frau und Kinder Rücksicht nehmen zu müssen, ohne jeden Abend zum Wohnmobil zurückzukehren, ohne die Annehmlichkeiten (und Belastungen) der Zivilisation, ohne Motorenlärm, ohne Computer, ohne Mails und Chats. Das Leben wieder einmal auf das Wesentliche reduzieren, die Sinne schärfen, wilde Natur geniessen und die Seele baumeln lassen.
Zwei gute Freunde hatten das gleiche Bedürfnis. Unkompliziert soll das Trekking sein, der Naturgenuss und das Zusammensein im Vordergrund stehen. In San Francisco übernachteten wir in einer einfachen Herberge, reisten anschliessend mit Greyhound- und Park-Shuttle-Bussen via Visalia an den Ausgangspunkt unseres Trekkings: General Sherman – der grösste Baum der Welt im Giant Forest des Sequoia Nationalparks in Kaliforniens südlicher Sierra Nevada.
Nachdem wir unser bereits lange im voraus organisiertes Wilderness-Permit im Lodgepole-Visitor-Center abgeholt haben, kann es losgehen. Sämtliche Parkregeln sind verinnerlicht – alles was riecht (Nahrungsmittel, Sonnencreme, Zahnpasta …) muss in den Bären-Kontainer, keine Seife in Gewässern (wir liessen sie deshalb gleich im Hostel), unsere Exkremente mindestens 15 cm vergraben (für diesen Zweck haben wir eine kleine Schaufel gekauft), kein Feuer in hohen Lagen und einige Regeln mehr. Im Giant Forest, der grössten Touristen-Attraktion des Sequoia Nationalparks, bestaunen wir die riesigen Sequoias in verschiedenen Formationen, wie z.B. auf dem Bild in der eindrücklichen Gruppe „The House“. Noch ein letztes üppiges Picknick mit Brot, Wurst, Käse und Früchten. Den letzten Plastik-Abfall, der davon übrig bleibt, geben wir Touristen mit und entschwinden für 12 Tage in die wilde Natur.
Nach einer ersten Nacht in der Merthen Meadow (auf dem Alta Trail) wandern wir entlang des berühmten High Sierra Trails, der vom Giant Forest bis zum Mount Whitney führt. Die Bearpaw Meadow liegt hinter uns und wir geniessen die fantastischen Ausblicke in der Abendstimmung.
Der Tag endet am Lone Pine Creek. Nach einem erfrischenden Bad füllen wir unsere Wasserflaschen auf. Dazu pumpen wir das Bachwasser durch einen Katadyn-Keramikfilter. Auf diese Weise kommen wir täglich zu unseren je rund 5 Litern sauberem Trinkwasser.
Und wieder begrüsst uns schönes und warmes Sommerwetter. Der Anstieg zu den Hamilton Lakes ist anstrengend. Wir sind unsere mindestens 25 kg schweren Rucksäcke noch nicht gewohnt. Bei meinen Trekkingpartnern machen sich zudem erste Blasen an den Füssen bemerkbar. Aber die Wanderwege hier sind perfekt in Stand gehalten – nach meinem Geschmack könnten sie etwas steiler sein, dafür mit weniger Windungen.
Die Landschaft ist atemberaubend und lässt uns oft inne halten. Die Granitformationen hier stehen in nichts denen vom berühmteren Yosemite Nationalpark nach. Nur, hier können wir sie in aller Einsamkeit und Stille geniessen.
Der obere Precipice Lake ist ein kleines Paradies: Glasklar bis in die Tiefe und in einem traumhaften Setting. Hier beschliessen wir für die Nacht zu bleiben. Meine beiden Reisepartner werden geplagt von einer Grippe und sind froh um den früher als geplanten Marschhalt. Das prickelnd-kühle Wasserbad (geschätzte 18° C, wir sind auf 3000 Meter über Meer!) und das wärmende Sonnenbad anschliessend sind die perfekte Therapie für unsere müden Körper.
Am Abend ziehen Rauchwolken herein von Waldbränden der Region und legen einen warmbraunen Tabak-Ton über die Landschaft. Waldbrände sind hier durchaus normal im Sommer. Allerdings häufen sie sich diesen Sommer, da Kalifornien seit 5 Jahren an einer extremen Dürre leidet. Eine grosse Belastung auch für Flora und Fauna hier.
In der Nacht ziehen die Rauchwolken wieder weg und geben die funkelnden Sterne frei!
Gestärkt durch unseren allmorgendlichen Porridge machen wir uns auf über den Passübergang „Kaweah Gap“ ins wunderschöne Tal des Big Arroyo-Flusses. Grippe und Fussblasen plagen meine Freunde immer noch, sodass wir unsere Routenpläne anpassen müssen. Statt auf den Mt. Whitney zu steigen und in einer grossen Runde über den Norden wieder zurück zum Giant Forest zu wandern, tauchen wir ins Arroyo-Tal ein und planen eine kleinere, doch sehr vielversprechende Runde im Süden. Zum Glück, wie uns ein Ranger später sagte, denn im Norden würden grosse Waldbrände und eingeschränkte Sicht herrschen.
Sobald wir vom High Sierra Trail in den Arroyo Trail abbiegen, ist der Weg merklich weniger begangen. Wir müssen ihn teilweise suchen und sind während zwei Tagen komplett alleine! Während der ersten Trekking-Tage haben wir noch verhältnismässig üppige Lunch-Rationen dabei. Zwei Mal Salami mit Crackers, zwei Mal einen Topf Mayonnaise mit Crackers – ein Kalorien-Highlight! Die Mittage danach müssen wir uns mit je einer Hand voll Nüssen, einem Basler-Läckerli und zwei Stücken Schokolade begnügen. Mehr hatte einfach keinen Platz mehr in den Bären-Kontainern.
Wir finden ein idyllisches Plätzchen für unser Camp am Big Arroyo. Bemerkenswert ist vor allem auch die natürliche Wellness-Anlage!
Das Schöne an einem Nationalpark ist, dass die Natur in Ruhe gelassen wird. So bleiben wir oft stehen und fragen uns beispielsweise, wie dieser Baum so wuchs und warum er so aussieht. Dieser noch lebende Baum hat auf der einen Seite seine Rinde durch ein Feuer verloren. Durch das Wetter und die Sonne sind die Brandspuren verschwunden, sodass nun das wohlriechende Holz blank liegt. Seine Lebensadern liegen in der Rinde auf der anderen Seite. Die Bäume hier haben es wahrhaftig nicht einfach!
Wir steigen aus dem Arroyo-Tal hinaus, folgen dem Soda Creek, dann dem Lost Canyon, von wo wir nach einem Mittagsrast zu den Big Five Lakes aufsteigen.
Vom unteren der Big Five Lakes steigen wir weiter hinauf bis auf rund 3000 Meter über Meer der erste der oberen Big Five Lakes vor unseren Füssen liegt.
Hier gefällt es uns auf Anhieb. Wir bleiben zwei Nächte an diesem traumhaften See. Zeit für Erholung und lokale Erkundungen.
Am Abend wärmen wir jeweils Wasser auf unserem Benzin-Kocher. Um möglichst wenig Benzin tragen zu müssen, haben wir uns in der Vorbereitung für gefriergetrocknete Trekking-Mahlzeiten entschieden. Diese haben wir in dünne Plastiksäcke abgefüllt, damit sie in den Bären-Kontainern möglichst wenig Platz beanspruchen. Die Mahlzeiten müssen wir jeweils nur noch ins kochende Wasser geben und eine Viertelstunde ziehen lassen. Heute Abend gibts Channa Masala – ein indisches Reisgericht mit Kichererbsen. Das Abendessen ist jeweils das kulinarische Highlight des Tages!
Auf rund 3000 Metern über Meer wird es in der Nacht jeweils recht kühl. Wer erwärmen uns am Lagerfeuer und führen interessante Gespräche bis spät in die Nacht.
An einem Bergsee lohnt es sich, früh aus dem warmen Schlafsack zu kriechen. Sobald die Sonne aufgegangen ist, werden thermische Winde einsetzen, welche die spiegelglatte Wasseroberfläche kräuseln.
Wir geniessen den Tag mit Baden, Faulenzen und Foto-Touren, einmal ohne schweren Rucksack.
Nach einem wunderschönen Ruhe-Tag schultern wir abermals unsere Rucksäcke. Wir passieren die Little Five Lakes auf dem Weg zum Blackrock Pass.
Vom Blackrock Pass (3535 m.ü.M.) werden wir fast 2000 Höhenmeter absteigen. Schuhe schnüren und Stöcke einsetzen.
Und da ist er, der lang ersehnte erste Bär, vor dem wir unser Essen schützen müssen. Zufällig entdecken wir während dem Wasser-Filtern am Cliff Creek einen sich bewegenden Busch, aus dem später ein junger Schwarzbär hervorkommt. Jetzt im Spät-Sommer ist er den ganzen Tag beschäftigt damit, Beeren zu suchen, Insekten aufzuspüren und Wurzeln auszugraben. Der Schwarzbär ist ein wahrer Überlebenskünstler, da er als Allesfresser seine Diät flexibel anpassen kann. Wir können den Bär noch eine Weile beobachten. Er hält rund 10 Meter Abstand und geht einen Bogen um uns herum, während er weiter mit seinen Lippen und seiner Zunge Beeren aberntet. Aber auch andere Details von Flora und Fauna sind während dem Wandern jeweils einen kurzen Halt wert.
Wieder in der Bearpaw Meadow machen wir eine Extra-Runde zum Tamarack Lake und dann entlang dem High Sierra Trail wieder zurück Richtung Giant Forest. Hoch über dem Kaweah Creek blicken wir zurück zum Kaweah Gap. Rauch liegt wieder im Tal und beeinträchtigt die Fernsicht.
Mitten in der Nacht weckt mich Rauch. Aufgeschreckt öffne ich das Zelt und luge zu unserer Feuerstelle hinüber. Bald merke ich, dass das ganze Tal im Rauch liegt. Je nach Windverhältnissen ziehen die Rauchschwaden von den Bränden im Kings Canyon Nationalpark (im Norden) zu uns herüber. Der Rauch bleibt den ganzen Morgen und lässt am Nachmittag nach.
Tag Nummer 11. Das Trekking nähert sich langsam dem Ende. Die Grippe ist auskuriert, aber die Fussblasen plagen noch immer. Unsere durchschnittlich rund 1’500 kCal Nährwert, die wir auf diesem Trekking täglich zu uns nehmen, reichen natürlich längst nicht um unseren geschätzten Bedarf von 4’000 kCal pro Tag zu decken. Wir bohren neue Löcher im Gürtel und schnallen ihn enger. Das tagelange Training, das geringere Körpergericht und die leichteren Rucksäcke lassen uns trotz Nahrungsmangel beschwingt weiter wandern. Nur jeweils das Anlaufen nach Pausen ist beschwerlich, solange bis die eher langsame Fettverbrennung eingesetzt hat. Dann lauft der „Motor“ erstaunlich zuverlässig.
Die letzte Nacht in der Wildnis. Die Zelte bauen wir in sicherem Abstand von den Mammutbäumen (Hintergrund) auf. Deren Hühnereier-grosse Tannzapfen sind so massiv wie Golfbälle. Fallen diese aus über 100 Metern Höhe auf unsere Köpfe, ist das bestimmt nicht ungefährlich! Wir geniessen nochmals die Stimmung in diesem urtümlichen Wald und träumen bereits von den mehrstöckigen Hamburgern, die uns morgen erwarten.
Tiefer im Giant Forest kommen wir uns immer kleiner vor. Die Brandspuren an der über 30 cm dicken relativ feuer-resistenten Rinde der Sequoias zeugen von mehreren Feuern während der letzten Jahrhunderte, welche die Sequoias meist schadlos überstehen.
Wieder zurück am Ausgangspunkt beim General Sherman, dem grössten Baum der Welt. Mit seinen rund 84 Metern Höhe ist er nicht der höchste Baum der Welt, sondern der voluminöseste. Er fasst geschätzte 1’500 Kubikmeter Volumen und hat an der Basis einen Umfang von 31 Metern (Durchmesser rund 11 Meter). Sein grösster Ast hat noch einen Durchmesser von 2 Metern. Der Baum ist 2’200 Jahre alt.
Am zwölften Tag sind wir also wieder in der Zivilisation angekommen. Wir sind zufrieden, fühlen uns entschlackt und erholt. Unsere Erwartungen sind mehr als erfüllt worden. Wir haben die wunderbare Natur hautnah erlebt, unsere Freundschaften gepflegt und unsere Energien wieder gewonnen. Abgesehen natürlich von der Energie, die im Körperfett steckt: Wir haben rund fünf Kilogramm weniger auf den Rippen und können nun ein paar Tage ungezwungen reinhauen :-).
Für die Foto-Interessierten hier noch Details zu meiner Foto-Ausrüstung, die ich auf dem Trekking dabei hatte:
- Vollformat-Kamera Nikon D750 mit Objektiven der Brennweiten 28-300 mm, 18-35 mm und Fisheye 16 mm
- Stativ und Kugelkopf Gitzo Traveller Carbon mit Mini-Connect Schnellverschluss-System von Novoflex
- Lowe-Gürteltaschen, jeweils eine für Kamera mit Objektiv, die andere für das Zweit-Objektiv. Das kleine Fisheye-Objektiv fand in einer separaten Gürteltasche von Nikon Platz.
- Ton-Aufnahmegerät Olympus LS-11 für Tagebuch-Notizen
Lieber Dodo
Ich kann nur gratulieren, fantstische Fotos und sicher ein einmaliges Erlebnis. Back to the roots, völlig im Einkalng mit der Natur sein, toll! Danke!
Liebe Grüsse
Dina
Super Bericht, grossartige Bilder. Vielen Dank.
Hi Dominique
Gratulation zu eurer grossen Leistung und zäher Ausdauer in der Wildnis der Sierra Nevada.
Schöne Bilder natürlich aus gekonnter Hand mit viel Sachverstand.
Unberechenbar aber bleibt, das Erleben von Wetterlaunen, der Naturgewalten und der Einsamkeit. Vor diesen erbrachten Leistungen habe ich grossen Respekt.
Herzliche Grüsse vom Sigi.
Wahrlich eine grandiose Reise zurück in die Obhut der Mutter Natur. Wandeln in einer urtümlichen Umgebung mit Freude und Freunden ist für mich ein emotionenreiches Geschenk, das man nicht in Büchern nachlesen oder dank WeltWeitemWeb nachempfinden kann. Entschleunigt, und reduziert auf ein Minimum an gesellschaftsnotwendigen Gütern, beschränke ich mich auf das Wesentliche des menschlichen Daseins; Hochachtung und Dankbarkeit. Einfache Dinge, die im schnellebigen Alltag allzu oft vernachlässigt werden. Danke Jungs!!! TT
hallööö dominique
wieder mal ein super Reisebericht mit stimmungsvollen fotos !! ich mag dir diese urchigen Männerferien gönnen.
ich bin stolz auf dich! mami
Schöggelimunggi, Du machst einem richtig gluschtig mit Eurem Abenteuer – cool! Freue mich auf Räubergeschichten. Farbiger Herbstgruess aus Rüeggisberg, Sebi
faszinierend! Möchte nochmals jung sein!
Fiona (Tante von Fanny)